Bartuneks Scheu vor der Leere

Kurz vor dem Morgengrauen erwacht Bartunek von seinem eigenen Ringen nach Atem. Schnell wie eine Fledermaus entweicht das Wesentliche aus ihm, umschwirrt noch ein, zwei Mal die Schlafzimmerleuchte, bevor es sich flach in eine der oberen Ecken des Raumes drückt.

Wenig später drängt sich Bartunek zwischen den aufgerissenen Türen in den überfüllten Bauch der Bahn. Er bahnt sich seinen Weg, hinter einer Frau mit glatt zurückgebundenem Haar kommt er zum Stehen. Er atmet ihr ein Loch in den Nacken. Dazu braucht er nicht länger als eine Station. Ein Schwarm winziger Spatzen kommt aus dem Löchlein geflogen und hinterdrein hallen die Worte „Basalt! Basalt! Basalt!“ hohl aus ihrem Hinterkopf. Die Vögel lassen sich, von den übrigen Fahrgästen unbemerkt, auf den Haltestangen nieder. Mit einer geübten Bewegung steckt Bartunek sein Seh- und Saugrohr in das Löchlein und starrt gierig in den streng frisierten Kopf.

Bartuneks Körper ist zu groß für seinen Charakter. Er gerät deshalb leicht aus dem Gleichgewicht, ins Wanken, bei der kleinsten Kleinigkeit. Doch Füllmaterial ist teuer und als gewöhnlicher Büromensch verfügt er nur über ein bescheidenes Einkommen.

Gerade als Bartunek das scharfe Ende des Röhrchens in seinen Bauchnabel steckt, gerade als die Frau in ihn zu fließen beginnt, gerade als Bartunek anfängt sich fest und stark zu fühlen, gerade da empfängt er einen klatschenden Schlag auf den Rücken. Eine Stimme donnert durch den Wagen: „Mensch, Bartunek, alte Hütte! Was für eine Überraschung!“

In der Tat. Der so Angerufene taumelt gegen sein Opfer, das Röhrchen knickt, die Verbindung zerbricht. Die Frau sackt zusammen, ihr Griff um die Handtasche erschlafft. Sie stirbt zu Bartuneks Füßen. Da gerät Bewegung in den Vogelschwarm. Von Panik erfasst flattern sie durch den Waggon, immer mehr werden es. Hunderte, ja tausende verängstigte Vögel verlassen den Körper der Toten durch das zerborstene Röhrchen. Die Tiere verfangen sich in Haar und Kleidung der Passagiere. Sie hacken und picken mit ihren Schnäbelchen und schlagen mit ihren Flügelchen. Die dünnen Stimmen vereinigen sich zu einem schrillen Sirren und über allem Tumult dröhnt es ohrenbetäubend aus der leeren Schädelhöhle: Basalt! Basalt! Basalt! Die Fahrgäste werden unruhig. Bartunek blickt verlegen auf seine Schuhspitzen. Der Unbekannte aus Bartuneks Vergangenheit macht beschwichtigende Gesten in Richtung des sich verdichtenden Unmuts, zieht dadurch Aufmerksamkeit auf sich. Rufe nach dem Henker der Verkehrsbetriebe werden laut.

An der nächsten Haltestelle öffnen sich die Türen mit bösem Zischen. Bartunek macht sein Rückgrat weich und lässt sich von einer Woge aus abgestandener Luft und Missfallen auf den Bahnsteig hinaustragen. Auf der Rolltreppe vermischt sich das Schmatzen eines Mitmenschen mit dem ewig sich wiederholenden „Basalt! Basalt! Basalt!“ zu Baustellenlärm. Bartunek kauft sich bei einem Imbiss eine Tüte krosser Aktien und rollt sich anschließend in der Frühlingssonne auf einer Parkbank zusammen, um sich von den Strapazen des Vormittags zu erholen. Ein Spatz pickt Aktienkrümel von seinem Kragen.