Der Riss des roten Fadens

Der Sturm bläst gegen die Fensterscheiben. Das macht ein Geräusch, ganz leise zwar, aber es trägt eine Wut, wie man sie mit dem lautesten Geschrei nicht hinbekäme. Die Bäume biegen sich und ächzen und klammern sich an ihr Laub. Wäre ich Goldsucher oder Alpinist, würde es mich vielleicht trotz des widrigen Wetters hinausziehen, weil ich dringend einen glänzenden Klumpen wollte oder einen Felssturz, der im Abendlicht glüht.

Früher wäre ich auch ohne ein erhabenes Ziel nach draußen gegangen. Nur um mein Gesicht in das Toben zu halten, um zu beweisen, dass es mir nichts ausmacht. Aber heute schmerzen die Knochen und ich friere beim leisesten Lüftchen. Zudem finde ich keine sauberen Socken.

Da lade ich mir lieber Besuch ein. Heute zum Beispiel kommt mein Cousin Fügerich. Er muss bei jedem Wetter vor die Tür, denn er hat einen großen, grauen Hund, der nach einem Atoll im Pazifik benannt ist. Eniwetok, Tokelau oder Clipperton, ich kann es mir nie merken. Auch mein Gehirn wird mit den Jahren lahm.

Deshalb habe ich mir einen Setzkasten gekauft, um die Sachen richtig einordnen zu können. Wer die Dinge einzuordnen weiß, kann das meiste Unheil abwenden. Es ist gar nicht so leicht zu entscheiden, in welches Fach die Milchzähne kommen und ob der Platz direkt daneben für den Radiergummi in Form eines tanzenden Nilpferdes geeignet ist. Im Augenblick spielt das keine Rolle, da ich den Setzkasten ohnehin verschließen muss. Fügerich ist ein geschickter Dieb und bestiehlt mich bei jedem Wiedersehen. Der Hund lenkt mich durch irgendein neues Kunststück ab und – schwupp! – verschwindet die perlenbesetzte Haarnadel meiner Großmutter in der Tasche seines grauen Hausmeisterkittels.

In Wahrheit konnte ich ihn schon als Kind nicht leiden. Aber er schmiert mir Honig ums Maul und bringt Zimtgebäck mit. Davon kann ich nicht genug bekommen.