Der Specht

„So war das zu meiner Zeit nicht!“, ruft mir der alte Herr zu, der das Kämmerchen nebenan bewohnt. Es gibt einen bestimmten Zeitpunkt im Alter, wo man zugleich schwerhörig und geräuschempfindlich ist. Von dort ruft er mir das zu. Ich weiß weder, wann seine Zeit war, noch wann sie zu Ende ging. Er ist ein unangenehmer Mensch, hat Freude am Zwist und am Unglück der anderen. Zudem stinkt er ein bisschen. Trotzdem habe ich einen Heidenrespekt vor ihm; schließlich ist es ihm gelungen, nach Ablauf seiner Zeit noch auf seinem kleinen Balkon zu stehen. Ein richtiger Balkon ist es nicht. Eher ein vergittertes Sims.

„Freiwillige!“, brüllt er und ein Regen aus Wurststückchen rieselt in den Hof. „Freiwillige, das waren zu meiner Zeit noch ganz andere Leute. Leute mit Mumm in den Knochen.“

Im Hintergrund hämmert ein Specht und ahnt nicht, dass auch seine Zeit bald vorüber sein wird.

Ich schiele vorsichtig nach oben, unsicher, ob er eine Antwort erwartet. Es scheint nicht so, denn er dreht das Gesicht voller Ärger der Sonne zu und kneift die Augen zusammen. Also kämme ich weiter das Gras. Das ist meine Aufgabe in der Hausgemeinschaft. Man konnte sich in eine Liste eintragen und es erschien mir von harmloser Nutzlosigkeit. So etwas liegt mir.

„Freiwilligkeit, pah! Da genügte zu meiner Zeit noch ein einfaches ‚Ich will nicht‘ und man war raus. Aber heutzutage, ja heutzutage! Da wird man gezwungen auszuwählen und darf sich schon die Medaille der Freiwilligkeit umhängen. Drecksäue!“ Die Brüstung erzittert unter seinen Faustschlägen. Bestimmt kommt gleich die Hauswartin und gibt ihm eine Beruhigungsspritze. Ich hoffe, sie beeilt sich. Am Ende hört ihn noch der Zeitverwalter und bemerkt den Betrug. Dann ist es sicherlich gleich vorbei mit ihm.