Des Königs verlorene Würde und Servietten aus feinstem Damast

Seit ich König geworden bin, plagen mich Migräneanfälle. Ich glaube, das kommt von der Krone. Sie sitzt einfach nicht richtig. Links an der Schläfe drückt das Metall und an der Stirn spüre ich die Edelsteine, obwohl man mir sagt, das könne nicht sein. Man möchte meinen, als Monarch würde einem der Kopfschmuck auf Maß gefertigt, aber Pustekuchen. Man trägt die Krone vom Vorgänger auf, wie ein kleines Geschwisterkind aus ärmlichen Verhältnissen die Hosen des Bruders.

Apropos Bruder. Ich musste tatsächlich seine Hosen auftragen. Es war mir nämlich nicht von Geburt an bestimmt König zu sein. Mein Vater wollte, dass ich Samariter werde, wie alle in unserer Familie. Doch in der Schule stellte sich schnell heraus, dass mein einziges Talent im Herrschen bestand. Also wurde mir das Blut gebläut und ich kam für ein paar Jahre in ein Feudalheim.

Alles in allem wäre ich lieber Samariter geworden. Außer Nächstenliebe hat man nicht viel zu tun und man kann Hüte tragen oder auch nicht. Aber ich war jung und eitel, sah mich in Schlössern umher stolzieren, edle Pferde reiten und Huldigungen entgegennehmen. Was wusste ich schon von Migräneattacken.

Immerhin lässt man mich ruhen, wenn die Schmerzen an mir nagen. Ich habe mir eigens dafür ein Kabinett einrichten lassen, mit geschwärzten Fensterscheiben und einem bequemen Bett. Dort liege ich, von Kopf bis Fuß mit Laken bedeckt. Nur meinem Kammerdiener ist es gestattet, dieses Gemach zu betreten. Er sieht nach mir und tauscht die Tücher aus, wenn sie nicht mehr frisch sind. Wimmernd lasse ich mich vom Gefühl des edlen Stoffes auf der Haut trösten und warte, bis alles Elend von selbst vorüber geht.