Durch den Kopf

Früher oder später probiere ich die meisten Dinge aus. Besonders, wenn etwas mich ängstigt oder mir aus unerklärlichen Gründen zuwider ist. Irgendwann später, wenn ich gestorben bin, werden die Leute über mich sagen: Zumindest hat sie es probiert. Sofern die Leute dann noch über mich reden. Ich weiß ja nicht mal jetzt, zu meinen Lebzeiten, ob über mich geredet wird. Nicht, dass es mich kümmern würde. Nicht, dass es mich nicht kümmern würde. Manchmal kommt man zur Tür heiren, und es heißt: Gerade haben wir von dir gesprochen. Oder umgekehrt, spricht man über jemanden und derjenige kommt augenblicklich zur Tür herein. Keine große Sache, so etwas passiert immer wieder im Leben.

Bemerkenswert ist, dass seit drei Tagen alles genauso geschieht, wie ich es mir vorstelle. Zunächst hielt ich es für Zufälligkeiten. Ich traf einige Bekannte, die ich längere Zeit nicht gesehen hatte, kurz nachdem ich an sie gedacht hatte. Morgens hüpfte ein Eichhörnchen auf meine Fensterbank, gerade als mir eine Glückwunschkarte in den Sinn kam, auf der eines abgebildet war. Eine Geschichte ging mir durch den Kopf und in der Bahn zog mein Gegenüber eben jenes Buch aus der Tasche. Ich schöpfte Verdacht und probierte verschiedene Gedanken aus. Kleinigkeiten aus dem Alltag, die vielleicht auch ohne mein Zutun geschehen wären. Zuhause wurde ich waghalsig und nun habe ich eine Bettwäsche aus Giraffenfell, ein Rudel Ochsenfrösche sitzt in der Badewanne, in meinem Kühlschrank lagert ein Stapel Goldbarren und statt der Bücher habe ich Schinken und Würste im Regal stehen. Obendrein sitzt mein Chemielehrer aus der Realschule auf dem Balkon und führt wieder und wieder eine Knallgasprobe durch.

Ich liege in meinem Bett, klappere vor Angst mit den Zähnen und versuche, mir nichts mehr vorzustellen, keinen Gedanken mehr zu haben. Bisher gelingt es leidlich. Aber die Versuchung ist groß, mir etwas Unerhörtes vorzustellen. Früher oder später werde ich es wohl ausprobieren.