Heutzutage oder Fäkal territoriale Betrachtungen

Wisst ihr Schnösel überhaupt noch, was ich hier mache? Ich schreibe, ihr Fatzken. Ja, mit der Hand, so wie ich es gelernt habe.

Was? Wie bitte? Ihr habt vielleicht Vorstellungen. Natürlich ging der Alltag zwischen den Bombenangriffen weiter – wir sind ganz normal zur Arbeit gegangen. Das heißt, natürlich nur, wenn der Betrieb, die Fabrik, das Amt nicht ausgebombt worden waren. Da hat fast niemand gejammert, da hat kaum jemand geklagt; ausgenommen die Leute, die gerade Angehörige verloren hatten. Die haben schon mal ein Tränchen verdrückt, schon mal einen Kloß runterschlucken müssen. Kann man doch verstehen.

Und heutzutage? Wenn ich das schon höre: heutzutage. Pah! Ich kann mich noch an ein Heutzutage erinnern, das ganz anders war. In eurem Heutzutage heulen die Herrschaften, wenn ihr sogenanntes Internetz mal ruckelt oder hakt.

Da war mein Heutzutage aus anderem Holz geschnitzt: Wir haben uns mit einlagigem Klopapier die Ärsche abgewischt, und wenn mal keines zur Hand war, hat der Opa den Wirtschaftsteil der Sonntagszeitung gespendet und wir haben uns später die Artikel aus der Kimme vorgelesen.

Wenn nicht gerade Bombenalarm war – dann haben wir uns in die Hosen geschissen. Hat auch niemanden gestört, außer die alte Frau Demi-Sandler aus dem vierten Stock. Die hat immer, wenn sie den Luftschutzkeller betrat, die Nase gerümpft und vor sich hingeschimpft.

„Da hätte man doch auch mal vorher gehen können“, grummelte sie mit ausdrucksloser Stimme, die mir immer signalisierte, dass die Kacke am dampfen war. Aber die Demi-Sandler hatte eh den Verstand verloren, seit ihre Zwillinge Per und Gerhard an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an der Ostfront gefallen waren.

Jetzt sitze ich hier und schreibe in eurem Heutzutage von meinem Heutzutage und kann nicht glauben, dass das alles schon so lang vergangen sein soll. Und ja, ich schreibe mit der Hand. Wie ich es gelernt habe. Ob es euch nun passt oder nicht.