Keine Liebesgeschichte

„Um eine vernünftige Geschichte über das Nichts zu verfassen, braucht man einen unverstellten Blick auf die Dinge. Erst wenn man alles vor Augen hat, erkennt man, dass ziemlich viel Platz neben der Materie bleibt – Unendlichkeit zwischen den Atomen. Zwar wird der eigene Schritt durch diese Erkenntnis nicht unbedingt sicherer und es häufen sich Vorkommnisse wie Gegen-Türen-und-Wände-Laufen, doch die Begegnung mit den Mitmenschen wird ungeahnt erfüllend. Großes Ehrenwort.“

Die Gräfin Karaszek nickt und saugt jedes Wort begierig auf. Sie ist eine Dame in ihren mittleren Jahren, prall gefüllt mit Temperament, niemals ein Gefühl der Alltäglichkeit im Miteinander aufkommen lassend. „Kein Gefühl zu tief“, gurrt sie, „kein Gedanke ist mir zu abgründig, als dass ich es nicht zuließe, dass mir tiefes Glück widerführe.“

Ich räuspere meine Beklommenheit fort und versuche mit Oberflächlichkeiten meine Fassung wiederzugewinnen. „Ich liebe es“, sage ich, „wenn sich das Licht des Sonnenuntergangs auf Ihrem Busen spiegelt. Erlauben Sie mir, Gräfin, dass ich vor Ergriffenheit zwei Sätze lang schweige.“

Gräfin Karaszek gewährt es huldvoll und betrachtet mit Wohlgefallen die aus mir strömende Stille.

„Wie ich sehe“, bricht sie mein Schweigen, „wächst aus Ihnen bereits eine wunderbare Geschichte über das Nichts.“

Ich werde mich hüten, ihr zu widersprechen.

„Halt einfach die Schnauze“, höre ich als Echo der Vergangenheit meine Mutter, „und die Leute halten dich für klug!“

Wie recht sie hatte.