Mortui Non Mordent

Und frage nie nach den Hinrichtungen! Die fallen beinahe täglich an und niemand nimmt mehr Anstoß. So wird es gewünscht und alle halten sich daran. Neuankömmlinge kämpfen oft mit aufsteigender Magensäure, wenn sie den zart süßen Geruch, der die Straßen beherrscht, zum ersten Mal mit seinem Ursprung in Verbindung bringen. Unterdrücke das Würgen! Verdränge den Ekel! Nur so wirst du es hier zu etwas bringen.

Oft sieht man Kinder, die mit Leichenteilen spielen. Das ist zwar verboten, aber den Kindern verzeiht man, wie in anderen Kulturen auch, einiges. Ein komischer Anblick, wenn sich zwei Kurze um ein Bein streiten, das fast so lang ist, wie sie selber, nur um es Augenblicke später in ein Rinnsteingitter zu schmeißen, wenn ihr Interesse an den Toten, von einem neuen Reiz gefesselt, erlischt.

Schmetterlinge gibt es viele, da hast du Recht. Sie nutzen als Larven und im Zustand der Verpuppung die Augenhöhlen der Hingerichteten. Die Augäpfel sieht man so gut wie nie – das ist der Methode geschuldet, mit der man an den Angeklagten die Strafe vollzieht. Die Augäpfel quellen dabei aus den Höhlen, noch bevor die Delinquenten verschieden sind. Das ist nun mal so und auch erwünscht. Zur Abschreckung, wie man dir lachend sagen wird, im privaten Kreis. Aber versuche bloß nie das Gespräch auf das Thema zu lenken. Das weist dich als Fremden aus und Fremde sind hierzulande meist nicht wohlgelitten.

Letztlich ist es aber auch egal, denn die Toten beißen nicht.