Seht mich den Inhalt eures Schädels schänden

„Wir treffen uns im kleinen Kreis. Nicht mehr als zehn Personen.“ Walter Steinbeißer unterbreitet den Freunden seine Ideen für den nächsten Auftritt. „Ich werde ein paar Gedichte vortragen, vielleicht ein Lied oder zwei zum Besten geben. Kuchen und Getränke. Eine runde Sache.“

Georg, seines Zeichens Freund und Kupferstecher, ist nicht überzeugt. „Aber nicht, dass alle wieder nur so hipstermäßig abhängen und Englisch quatschen.“ Er spuckt vor Abscheu auf Steinbeißers Teppich und wischt sich wichtigtuerisch mit dem Handrücken den Mund ab. „Wenn man nicht einmal in der Hauptstadt, also der besten und wichtigsten Stadt, die Landessprache verwendet, ist der Untergang nicht mehr weit.“

Walter Steinbeißer sieht sich voll Unbehagen um; hinter ihm nur die Wand, die mit ihrer tragenden und stützenden Funktion vollends ausgelastet ist. „Für Sprachreinheit kann ich nicht garantieren – ich meine, es ist ja nicht so, dass der Mensch oder irgendein anderes Wesen auf dem Planeten eine Insel ist.“

Maria Haferstroh – die eigentlich Ulrike heißt, aber aus datenschutztechnischen Gründen umbenannt wurde – gibt, nachdem sie sich bisher bedeckt gehalten hat, zu bedenken, dass die Menschen einst aus Sternenstaub geformt worden sind. Die beiden Männer ignorieren den Einwurf.

Georg spielt mit dem großen Zeh im eigenen Auswurf auf dem Teppich. „So weit ist es gekommen, dass man sich schon glücklich schätzen kann, wenn auf einer deutschen Dichterlesung nur Englisch und nicht Arabisch gesprochen wird.“

„Maria“ Haferstroh raunt mit bedeutungsschwerem Unterton: „Die körperliche Hülle ist nur Träger und Hüter unser aller Erbsubstanz.“

Walter Steinbeißer steht auf und deklamiert: „Man kann nicht zu glücklich sein, das Wichtigste ist immer an der Wand der Wolke zu lesen. Aber zuerst, schon mit ‚trockenem Ton‘ gefüllt, möchte ich über einen kleinen Jungen sprechen, den ich besonders beeindruckt habe, der, wie unser Ego auch, die neuen Freuden der Selbstliebe nicht nur nicht mag, sondern auch nicht uns selbst. Heute können wir uns dem Verlust des passiven Empfangs hingeben; wir haben uns noch nicht vollständig unterschieden.“

Das Freundespaar klatscht, als er geendet hat, lustlos Beifall, indes die Wand unter dem Gewicht der oberen Stockwerke ächzt.