Al Jardine, ein Nachbar der Wilson-Brüder und Mitbegründer der Beach Boys, hat den Cousin der drei an der Leitung.
„Ich habe mit Brians behandelndem Arzt gesprochen, er sagt, Brian liegt im Sterben, aber er könnte ihn vielleicht retten, um einen finalen Song aus ihm herauszukitzeln. Vorausgesetzt natürlich, dass wir noch etwas auf sein Honorar drauflegen.“
Am anderen Ende schweigt Mike Love und atmet pfeifend. „Was das wieder kostet!“, sagt er endlich und bricht die Stille. „Ich habe es satt, immer wieder unser sauer verdientes Geld in Brians Behandlungen zu stecken. Ich meine, vielleicht ist sein letzter Song richtig scheiße und dann stehen wir da und haben den ganzen Schotter zum Fenster rausgeworfen. Willst du das Risiko wirklich eingehen?“
Jetzt ist es an Al Jardine zu schweigen. Und so fährt Mike Love fort: „Erinnerst du dich noch an seinen Therapeuten? Monat für Monat haben wir Schecks geschickt. Bis zu seinem Tod. Und für was? Für Scheiß. Brian ist verrückt geblieben. Und jetzt willst du noch einen Quacksalber durchfüttern?“
Jardine räuspert sich und murmelt: „Aber überlege doch mal, ein letzter Song.“ Er kommt in Wallung und seine Stimme überschlägt sich fast. „Per Definition wird das Lied Legendenstatus haben. Eine letzte Nummer 1. Das schulden wir der Nachwelt.“
Love schüttelt den Kopf, was Jardine natürlich nicht sieht. „Ich habe noch mehrere Tophits in mir. Ich sage schon seit Jahren …“
Er lässt offen, was er schon seit Jahren sagt, denn er ist zu wütend auf den hässlichen Zwerg, den er eigentlich nur noch aus Mitleid in der Band duldet. Aber Mike Love reißt sich zusammen und sagt so ruhig, wie es ihm überhaupt möglich ist: „Du weißt schon, dass ich den Text von ‚Good Vibrations‘ geschrieben habe?“
Al Jardine rollt die Augen und schüttelt den grotesk großen Kopf, was wiederum Love nicht sehen kann. Wer wüsste nicht, dass Michael Edward Love der eigentliche Genius der Beach Boys ist und immer schon war?
„Ja, ja, ist schon gut, Mike“, sagt er beschwichtigend, „bring doch einfach das nächste Mal deine Entwürfe mit, wenn wir wieder im Studio sind. Aber was machen wir jetzt mit Brian? Wir sollten uns ganz zügig entscheiden. Das Geld wird auch nicht wertvoller, wenn wir es nicht ausgeben.“
Mike Love ist froh und dankbar, dass Al seinen Bluff nicht entlarvt hat; er weiß sehr genau, dass die vier unfertigen Skizzen in seinem Notizbuch nicht der Rede wert sind.
Mit feierlicher Stimme verkündet er: „Als dienstältester und auch körperlich längster Beach Boy entscheide ich gegen lebensverlängernde Wundertricks; auch wenn es bedeutet, dass Brian keinen letzten Hit mehr schreiben wird. Was ich im Übrigen auch ohne ihn noch vorhabe, selbst und eigenhändig zu tun. Soll er doch den Weg alles Irdischen gehen.“
Al Jardine fasst sich bestürzt an den riesigen Kopf. „Aber warum? Er ist doch dein Vetter, Mike.“
„Das ist ja zweitrangig. Die Rettung ist zu teuer. Nicht nur in finanzieller Hinsicht. Aber auch. Jai Guru Deva Om!“