In den Tagen der Angepasstheit, wo das Essen nicht mehr blutet, die Habenichtse hingegen schon, drehen die Autoren der Edition Groschengrab den Mist des Lebens zu Perlen. Worte suchen ihren Weg ins Freie. Die Edition Groschengrab hat es sich zur Aufgabe gemacht sie einzufangen. Die Buchdeckel müssen einladend sein, denn die Texte sind widerspenstig und eigenwillig: Sie gehen nicht mit Jedem. Das Anliegen ist, ihnen einen bequemen Platz einzurichten, wo sie sich gerne lesen lassen.

AUS DEM GROSCHENGRAB

Literarisches & Aktuelles

Der Ich-Erzähler

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Als mir vergangene Woche, nach einigen Jahren flüchtiger Geburts- und Feiertagsgrußaustausche, der Ich-Erzähler begegnete, war ich verblüfft und auch ein klein wenig neidisch, wie gesund und fit er aussah. An mir sind die Jahrzehnte leider nicht so spurlos vorbeigegangen „Erinnerst du dich an das Nachbarpärchen, über das du mal eine Geschichte geschrieben hast?“ Bei der Fülle an verfassten Texten erinnerte ich mich nicht, ich vermied jedoch, es vor dem Ich-Erzähler zuzugeben, da ich von seiner überaus launischen Natur mehr als ein Liedchen singen konnte. „Ganz ruhige Leute. Nebenfiguren eigentlich. Damals in deiner Prosaminiatur ging es darum, dass du immer laut…

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Obertöne

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Ich mag keine Jahrestage. Anfangs sind die noch aufregend, wenn man keine eigenen Erinnerungen hat, aber irgendwann treffen sich dann Bombenattentat, Geburtstag vom Herzensfreund, der sich mit Absicht zu Tode gesoffen hat und das Jubiläum von Eddy Grants erster Hitsingle am selben Tag und man fragt sich, warum einen nicht längst der Teufel geholt hat, obwohl man weiß, dass der Teufel einen heutzutage holt, indem er einen da lässt, wo man ist. Dazu kommen die Jahrestage der Lebenden, an die man mit vorwurfsvollen Untertönen erinnert wird, weil man das erste gemeinsam gegessene Vanilleeis vor sechs Jahren vergessen hat. So entstehen…

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Ein Schlückchen Magie

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Die Pilger waren von der mehrtägigen Wanderung erschöpft, aber entschlossen, das Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Wilhelm und Abel, die stets zankenden Zwillinge, gesellten sich wieder zur Gruppe, nachdem sie Quartier im Pilgerort gefunden hatten. „Wisst ihr, wer der Herr der Herberge ist, die wir ausgesucht haben? Niemand anderes als der Ur-Ur-Ur-Großneffe zweiten Grades der Heiligen Cassilda selbst“ rief Wilhelm, der wie immer der Wortführer der beiden war, schon von Weitem. „Alles wird gut.“ Die Pilger staunten nicht schlecht und ein spürbarer Ruck ging durch sie. Ja, alles würde gut werden, Kraft durchfuhr sie und sogar die…

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Muscheln im Gebirge

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Leute, die, um zu illustrieren, dass die Dinge sich jederzeit in ihr Gegenteil verkehren können, darauf hinweisen, man habe im Gebirge Muscheln gefunden, sind mir suspekt. Zum einen ist der Ozean nicht das Gegenteil des Gebirges, zum anderen kommen Muscheln auch in süßen Gewässern vor, warum also nicht im Gebirge? Und überhaupt hat man keine Muscheln, sondern lediglich ihre Schalen im Gebirge gefunden. Eine Binsenweisheit bleibt eine Binsenweisheit, auch wenn man sie vor ein imposantes Panorama stellt. Durch eine Kränkung wird die vermeintliche Liebe zu Hass oder wenigstens zu Gleichgültigkeit und die Leute wollen nicht kleinlich erscheinen, deshalb vergleichen sie…

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