„Ist das ein Sturm?“, fragte die Großmutter in die Runde.
Wir schwiegen betreten. Sie bekommt nicht mehr alles mit, und das ist in mancher Hinsicht auch von Vorteil für ihren Seelenfrieden. Es wäre wohl für uns alle besser, würden wir nicht ständig mit immer neuen und immer lauteren Hiobsbotschaften und den Omina dräuenden Unheils zugemüllt, aber quid agendum?
Ich konnte erkennen, dass sie, für einen Augenblick völliger geistiger Klarheit, aufrichtig um unser aller Sicherheit besorgt war. Darum nahm ich ihre Hand und tätschelte sie beruhigend.
Die Großmutter zitterte, als sie sagte: „Ich weiß doch, wie sich ein Sturm anfühlt.“
Auch mich ergriff ein Schauder und als ich mich in unserer Runde umsah, erkannte ich, dass es den anderen ebenso erging. Gerade dass sich ein Schwarm später Stechmücken auf die Großmutter hernieder senkte und sie auszusaugen drohte. Wir anderen versuchten die Mücken zu verscheuchen, pusteten, wedelten wild mit den Händen oder boten den Blutsaugern nackte Arme und Köpfe als Ersatz für die Großmutter an.
Mit mäßigem Erfolg, wie wir feststellen mussten, denn der Schwarm ließ nicht von der Großmutter ab, umschwirrte und bekrabbelte sie. Die Wende trat erst in Gestalt einer Fledermaus ein, die schneidig knapp über unseren Köpfen, mit weit geöffnetem Maul, die Stechmücken dezimierte, Runde um Runde kreiste und vor Vergnügen pfiff.
Fast hätte sie die Großmutter einmal gestreift, woraufhin diese aber nur gluckste und sich freute, ein Tierchen gesehen zu haben. Dann aber wurde ihr Blick wieder trüb, und sie fragte erneut: „Ist das ein Sturm?“ Wir nickten stumm, erleichtert, dass die Gefahr vorerst gebannt war, und hofften, dass die Verwirrung bald wieder weichen würde. Doch insgeheim wussten wir, dass der wahre Sturm uns allen noch bevorstand.