Die Heuchelmaschine

Als die Heuchelmaschine noch funktionierte, war ich König dieser Welt und auch aller anderen Welten, die ich mir vorzustellen vermochte, und ich konnte mir einiges vorstellen.

Ich konnte glaubhaft behaupten, dass die Wiese purpurn leuchtete, dass Seehunde in der Lage waren, komplexe mathematische Formeln zu lösen und, darauf basierend, die Fähigkeit besaßen, einfache barocke Menuette zu komponieren. Und die Leute? Glaubten alles, was ich ihnen vorsetzte. Sie doch auch.

Lügendetektor? Ich glaube, Sie spinnen! Das ist doch was für Anfänger, Leute, die sich verunsichern lassen, die ihre eigenen Lügen und Heucheleien nicht glauben können – Amateure!

Die Maschine öffnete mir Tür und Tor. Bis sie es nicht mehr tat. Bis sie sich eines Tages weigerte, meine Lügen, Heucheleien und Schmeicheleien mitzutragen, ja, möglich zu machen.

„Kommen Sie doch herein, mein Lieber!“, rief Frau Obermir mit einer Stimme, süß wie gezuckerte Veilchen. Herr Obermir nickte eifrig, und ich wurde in ihre kleine, überladene Wohnung hineingezogen. Spitzendeckchen, Porzellanfiguren, Ölgemälde von grinsenden Katzen – alles schrie nach falscher Gemütlichkeit.

Normalerweise hätte ich jetzt ein anerkennendes Nicken und ein paar schmeichelnde Worte über die „gemütliche Atmosphäre“ angebracht. Aber die Heuchelmaschine in meiner Hosentasche glühte wie ein kleiner Schmelzofen. Sie war kaputt. Absolut im Arsch. Und das bedeutete, dass ich die Wahrheit sagen musste. Immer.

„Also… puh,“ sagte ich, „das ist ja ein ziemlicher Kitschladen hier. Erinnert mich an das Haus meiner Großtante, nur schlimmer.“ Herr Obermir räusperte sich und verschwand in Richtung Küche.

Frau Obermir versuchte, wie Sie jetzt, das Gespräch in Gang zu bringen. „Na, wie geht es Ihnen denn so? Haben Sie auch so unter dem Wetter zu leiden?“

Die Heuchelmaschine vibrierte in meiner Hosentasche. „Müssten Sie nicht längst an der Abschaffung des Patriarchats arbeiten?“, platzte es statt eines Komplimentes aus mir heraus.

Ihr Lächeln gefror. „Ähm… nun ja, ich tue eigentlich schon, was ich kann, nicht wahr, mein Lieber?“, sagte sie und warf einen unsicheren Blick in Richtung Küche, wo ihr Ehemann hantierte.

Ich strich noch einmal über die Heuchelmaschine und murmelte: „Du verdammter, verchromter Türstopper! Du bist nutzlos! Warum hast du nur so ein hässliches Innenleben entwickelt?“

In diesem Moment kam Herr Obermir mit einem Tablett voller Kekse zurück. „Warum… warum seid ihr beiden denn noch bekleidet?“, fragte er, sichtlich verwirrt.

Ein Reflex. Ich musste ausprobieren, ob noch ein Rest Leben in der Heuchelmaschine steckte. „Ach, wissen Sie, Herr Obermir, wir haben uns gerade so angeregt über Ihre wundervolle Sammlung von Kunst und Ihre unvergleichliche Stilsicherheit unterhalten. Ihre bezaubernde Frau hat wirklich einen einzigartigen Geschmack!“

Die Heuchelmaschine gab ein letztes, zischendes Geräusch von sich, dann implodierte sie mit einem leisen Knall. Eine Rauchwolke stieg aus meiner Hosentasche auf, und der Geruch von verbranntem Silizium erfüllte den Raum.

Wissen Sie, das war der Zeitpunkt, dass ich wusste, meine Zeit ist vorbei; schauen Sie mich doch nur an, jetzt sitze ich vor Ihnen auf Ihrer Behandlungscouch und Sie fragen mich, wie es mir geht. Was weiß denn ich?c