Die Rettung ist zu teuer

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Al Jardine, ein Nachbar der Wilson-Brüder und Mitbegründer der Beach Boys, hat den Cousin der drei an der Leitung. „Ich habe mit Brians behandelndem Arzt gesprochen, er sagt, Brian liegt im Sterben, aber er könnte ihn vielleicht retten, um einen finalen Song aus ihm herauszukitzeln. Vorausgesetzt natürlich, dass wir noch etwas auf sein Honorar drauflegen.“ Am anderen Ende schweigt Mike Love und atmet pfeifend. „Was das wieder kostet!“, sagt er endlich und bricht die Stille. „Ich habe es satt, immer wieder unser sauer verdientes Geld in Brians Behandlungen zu stecken. Ich meine, vielleicht ist sein letzter Song richtig scheiße und…

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Ein Sohn der Meute

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„…dessen Äste in den Himmel wachsen! So wie wir! So wie Daberlitz!“ Bürgermeister Jentschke wischt sich den Schweiß von der Stirn, seine Stimme wird immer lauter und gehetzter. Die versammelte Daberlitzer Bürgerschaft sitzt und schwitzt und versucht, nicht einzuschlafen. „Wir sind wie dieser Baum! Stark, verwurzelt, und… und…“ Kuckuck! Bürgermeister Jentschke reißt den Kopf hoch, fixiert den Baum mit einem starren Blick. „Ja! Wie dieser Baum! Und dieser Baum… ist ein Resonanzkörper. Ein hölzernes Echo unserer tiefsten Wünsche! Er speichert die Flüche der Vergangenheit und die zaghaften Hoffnungen der Zukunft. Und er… er…“ Seine Augen weiten sich. „…er ist besessen!“…

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Die Blutsau vom Niederrhein

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Kehlig entfuhr Luk de Toorhejd der Schreck. Er verschluckte sich, sie hämmerte mit dem Ballen ihrer rechten Hand auf seinen Rücken, bis sich seine Lungen wieder beruhigt hatten. „Du hast WAS gesehen?“ De Toorhejd fand nur mit Mühe den Atem wieder. „Die Blutsau vom Niederrhein. In voller Größe und ganzem Grauen. Gewitter inklusive. Blitze, Donner, das ganze Paket.“ Sie war so niedlich, wenn sie sich ereiferte. Wieder einmal konnte der ehemalige Neuplatoniker, der sich, zu seinen besseren Zeiten mit den Besten seiner Zunft maß, kaum im Zaum halten, seine langjährige Gefährtin von oben bis unten abzuknutschen, auch weil er wusste,…

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Ein Ersatz für Weiß

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Zwei maskierte Männer entsteigen am Bahnhof einem Taxi. A, der größere von beiden, richtet seine Krawatte. B, der kleinere, legt den Kopf in den Nacken und blickt in den Nachthimmel. A: Gut geschlafen? A zieht an seiner Krawatte, blickt sich nervös um. B: Geschlafen? Ich? Ich träumte von einer grauen Flut Asche, die über die Stadt hereinbrach, von welken Lilien auf schlammigen Wegen. Erinnere dich daran: Wir suchen einen Ersatz für Weiß. Aber was, wenn es nichts zu finden gibt? Was, wenn das, was wir suchen, das Nirgendwo ist, dort wohin das Weiß entschwunden ist? B deutet theatralisch in den…

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Gold oder Wurstbrot

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Die Sachbearbeiterin sah mich an, mit diesem ungerührten Blick, der so typisch für ihre Zunft ist. Arbeitsaufnahme, das war ihr Stichwort. Bezahlte Tätigkeit. Als ob das so einfach wäre. Als ob mein Talent nicht weit über die tristen Angebote der Arbeitsagentur hinausginge. „Ich hätte da vielleicht eine Idee“, begann ich, und der Gedanke an eine glorreiche Karriere als Scharlatan oder, noch besser, als Heiratsschwindler, ließ mein Blut schneller fließen. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits: Maßgeschneiderter Anzug, gewinnendes Lächeln, und die Kunst, Versprechungen zu machen, die so glänzend waren wie frisch geprägtes Gold. Eine Welt voller Luxus, finanziert…

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Der Bär hat Hunger

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Mich interessiert der Alltag der Leute, ich will wissen, wie sie ihre Tage verbringen. Als Schriftsteller habe ich keinen Alltag, es sei denn ich stecke mitten in einem neuen Roman, aber wann ist das schon? Mit den Jahren erfuhr ich einiges über den Jedentag anderer Menschen: ich lernte von Bettlern und Straßenzeitungsverkäufern, wo die besten Plätze sind, wann die besten Stunden. Ich lernte, wie man das Ordnungsamt umgeht, wenn es doppelköpfig, dickleibig und uniformiert durch die Straßen zieht, mit einem Maßband in der Hand, um Abstände von Bistrotischen zu Bordsteinkanten zu ermitteln. Dann kam ich irgendwann zu Geld. Nicht viel,…

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Tanz mit dem Esel

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Professor Ekelhard, seines Zeichens Koryphäe und Autorität von europäischem Ruf in allerlei Dingen und virtuoser Taschenbillardkünstler, wurde auf drei Kontinenten gleichsam für seine Eloquenz bewundert und seiner scharfzüngigen Analysen wegen gefürchtet. Weniger bekannt war seine Obsession für Esel. Nicht etwa im zoologischen oder körperlichen Sinne, oh nein! Ekelhards Esel waren metaphysisch, Allegorien auf die menschliche Dummheit, die er so innig verachtete und doch so faszinierend fand. Eines Nachts, in seinem Arbeitszimmer, umgeben von Sukkulenten, Folianten und dem süßlichen Duft von Mottenkugeln, hatte er eine Erleuchtung. Er würde mit dem Esel tanzen! Nicht wortwörtlich, versteht sich. Ekelhard imaginierte einen Esel, so…

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Beim Nazarener

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An der Ausfahrtstraße unseres Dorfes steht ein einzelnes windschiefes Fachwerkhaus. Mittlerweile leer, doch wohnte in ihm während meiner Kindheit und Jugend ein kauziger alter Mann, den alle nur den Nazarener nannten. Wem nach einem Tag harter Arbeit in den Feldern der Sinn nach lauwarmer Rotweinschorle oder krachledernen Rindswürsten stand, der ging zum Nazarener. Schon meine Eltern gingen hin und als sie durch die harte Feldarbeit allmählich verwitterten und letztlich zu verkümmert waren, um sich noch in die Öffentlichkeit zu wagen, fing ich statt ihrer an, meine Abende beim Nazarener zu verbringen. Der Nazarener war ein Mann von gedrungener Statur, mit…

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Als ich Rasputin war

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Vor meinem Fenster Kinder, die rufen: Ra-Ra-Rasputin. Kleine Münder formen Worte, die sie nicht verstehen. Fensterglas vibriert, Echo meiner selbst, meiner Vergangenheit? War ich Rasputin? Vielleicht nur Traum, Fieberwahn. Spiegelbild zeigt Mann mit Bart, aber Bart lügt. Augen verraten nichts, außer Leere. Leere, die schreit: Du bist nicht du! Aber wer dann? Frage hallt, Antwort bleibt stumm. Draußen marschieren Soldaten, Fahnen wehen, Parolen dröhnen. Neue Weltordnung, alte Phrasen. Rasputin tot, aber Geist lebt weiter. In mir? In dir? In jedem, der fragt. Kinder vor dem Fenster rufen: Ra-Ra-Rasputin.

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Kolumbianisches Finale

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Kaum-Ich: Erzähl doch mal von Kolumbien! Nicht-Ich: Das würde dann ungefähr so klingen: Willkommen in Kolumbien, dem Land der magischen Berge, aufregenden Züge und leckeren Schokolade! Stell dir vor, einsame Gipfel, die sich fast bis zum Himmel strecken, und grüne, blühende Wiesen, auf denen Kühe zufrieden grasen und leise läuten. Diese Kühe sind der Grund, warum Kolumbien so viele köstliche Käsesorten hat, die du probieren kannst! In Kolumbien kannst du mit Zügen fahren, die wie im Abenteuer durch Tunnel und über Brücken sausen. Besonders spannend ist die Fahrt hinauf zu schneebedeckten Gipfeln, wo man im Winter Ski fahren oder im…

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