Ein Pranger nach Maß

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Die besseren Leute erkennt man an ihrem maßgeschneiderten Zeug. Sogar ihre Bettdecken lassen sich die besseren Leute nach Maß anfertigen. Vielleicht schläft man nur unter einer Decke von 2,07 Metern Länge wirklich erholsam und nur die Daunen der Gänse auf einem kleinen Hof in der Provence halten einen wirklich warm, bloß wir einfachen Menschen wissen das gar nicht, weil wir schon froh sind, wenn wir nicht an die Front geschickt werden. Das stimmt natürlich nicht, denn als einfacher Mensch hat man heutzutage keine Einwände gegen einen Fronteinsatz, nur als Lumpenpazifist, und der kommt halt nicht in den Schützengraben sondern an…

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Späte Rache

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„Bei deiner Mutter ist ja nicht mehr viel los im Oberstübchen“, raunt mein Vetter Kaiphas mir über den Tisch hinweg zu. Er heißt nicht wirklich Kaiphas, den Namen trägt er nur innerhalb der Familie, weil er eine Arschgeige von biblischen Ausmaßen ist. Ich weiß gar nicht, warum oder von wem er zum Essen eingeladen wurde, aber da er nun einmal da ist, habe ich ihm einen Teller Fritattensuppe hingestellt. Die habe ich extra für blöde Gäste im Gefrierschrank. Die Mutter sieht ihn mit belustigtem Ausdruck an und löffelt ihre Nudeln mit Soße. Ich kann meine Mutter nicht sonderlich leiden, aber…

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Mein Praktikum in der Trollfabrik

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Damit ich wieder mehr unter Leute komme, habe ich beschlossen ein Praktikum zu machen. Nachdem es mir für Love-Scamming an Charme und Liebreiz mangelt und der örtliche Fleischer mich wegen meines Hangs zum in der Nase Bohren abgelehnt hat, bin ich schließlich in einer Trollfabrik gelandet. Ich dachte mir, den lieben langen Tag mit einer kleinen Schere Frisuren aus buntem Zottelplüsch für Püppchen ausschneiden, sei genau mein Ding. Vielleicht hätte ich ja sogar ein bislang unentdecktes Talent zum Augen Aufmalen. Es stellte sich heraus, dass in den Jahren meiner Abkehr von der Menschheit einige Veränderungen in der Welt stattgefunden hatten….

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Schlafen wirst du kaum, Ananke

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Ananke war meine Banknachbarin in der Realschule. Am Anfang dachten die anderen Kinder, sie würde stottern und hieße in Wirklichkeit Anke. So war sie das Ziel zahlreicher Späße, die meisten davon kein bisschen lustig. In ihren dunklen Augen glühte es sanft und wenn die Späße allzu derb wurden, füllten sie sich mit glitzernden Tränen und es zischte, wie wenn ein Wassertropfen auf eine Herdplatte fällt. Dann lehnte sie ihren Kopf sacht gegen meine Schulter und der Geruch von Pelikanol, Majoran und Freibad stieg mir in die Nase. Ein wenig später, als ihr Körper abenteuerliche Kurven bekam, wichen die Scherze begehrlichen…

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Ohne darüber nachzudenken

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Ich kann Soldaten nicht leiden. Mit ihren Sturmgewehren und Helmen und schweren Stiefeln jagen sie mir Angst ein, während ich zugleich ihre Ränge und ihr Kommandogebrüll lachhaft finde. Eine gefährliche Kombination, wenn man selbst unbewaffnet ist und auch so bleiben will. Nicht einmal ein Pfefferspray werde ich mir zulegen, egal wie viele Axtmörder mit dem Zug durchs Land fahren – aber das nur nebenbei. Ich kann Soldaten nicht leiden, selbst wenn sie meine Freiheit am Hindukusch verteidigen, wobei ich bis vor ein paar Jahren dachte, der Hindukusch sei ein Zauberer. Der finstere Bruder vom Zauberer Suseldrus genauer gesagt. Heute weiß…

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Kleine Ballade vom Gleichgewicht

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Bodacia Pelzfuß arbeitet im Tyrannenpalast. Sie schreibt Glückwunschkarten, Drohbriefe und Festreden für den Herrscher. Für gewöhnlich geht ihr die Tätigkeit leicht von der Hand. Die Ansprüche sind nicht hoch und von ihrem Bürofenster aus sieht sie grüne Hügel, die bis zum Horizont dahinwabern und das Gehirn in friedliche Stimmung versetzen. Aber heute will ihr gar nichts einfallen. „Eine kleine Ballade vom Gleichgewicht“, hatte der Tyrann auf den Fußspitzen wippend gesagt und die Lippen geschürzt, so dass er noch mehr als sonst wie eine Kasperlefigur aussah. „Die hätte ich gerne bis morgen. Als Geschenk für diesen widerspenstigen Ajatollah.“ Eine kleine Ballade,…

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Wen man vor sich hat

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McMurphy spuckt seine Zigarettenkippe mit einem Schluck Rotwein aus und verzieht das Gesicht, als ob ihm der Wein nicht schmeckt. „Schmeckt dir der Wein nicht?“, fragt Gabriele Pelzfuß. Am Wein gäbe es nichts auszusetzen, antwortet McMurphy, es sei die Weltlage, die ihm das Gesicht verzöge. Weil man als Staatsmann sein Verhalten daran anpassen müsse, wen man vor sich habe. Früher sei das Gang und Gäbe gewesen, jeder Bezirksrat habe das gewusst, aber heute, mit den ganzen Flitzpiepen, die hätten keine Ahnung, wie man sich auf dem internationalen Parkett bewegt. Gabriele Pelzfuß wirft sich das Poliertuch über die Schulter und stellt…

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Stummes Blut

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Die Frau im weißen Kittel klopft mit dem Finger auf die Armbeuge und zieht die Brauen zusammen. „Sie haben aber keine schönen Venen“, sagt sie mit fröhlichem Tadel in der Stimme. Ophelia Pelzfuß betrachtet neugierig ihren Arm. „Man sieht doch gar nichts. Wie kann etwas unschön sein, wenn man es gar nicht sieht?“, erwidert sie und wünscht sich sogleich, sie hätte nichts gesagt. Die Frau im weißen Kittel wird denken, Ophelia sei neunmalklug und dann wird sie schlechte Laune bekommen und sich keine Mühe geben mit ihrer Nadel und Ophelia wird tagelang einen dicken, blauen Fleck mit sich herumtragen. Die…

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Der lächelnde Schamane

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Meine Zeit mit McMurphy neigte sich dem Ende zu, aber das wusste ich damals nicht. Es ist eine Lüge, dass man den Menschen ansieht, wenn der Tod sich nähert. Rein gar nichts habe ich gesehen. Die schwarzen Härchen auf seiner Nase waren unverändert eklig und das feuchte Grunzgeräusch, mit dem er sein schepperndes Gelächter ankündigte – alles wie immer. Der Schamane lächtelte. Hätte ich geahnt, wie wenig Zeit uns beiden blieb, ich wäre ganz anders gewesen. Hätte nicht so viel genörgelt wegen Brandflecken auf der Tischplatte oder nächtlicher Anrufe. Wäre ihm nicht ins Wort gefallen, wenn er weitschweifig seine Gedanken…

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Vom Erwachen

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Vom Erwachen verstehe ich nicht viel. Fast möchte ich sagen, ich stelle mich jeden Morgen an, als hätte ich es nie zuvor getan. Ich bin das geborene Schlafschaf, wie man heutzutage sagt. Oder zumindest ein Schlummerschaf, denn im Schlummer lauern keine krausen Träume, deren Reste mir den ganzen Tag über im Gehirn kleben. Erwachen ist ja gerade modern. Nicht so wie früher, wo es ältlichen Damen in Stützstrümpfen und billigen Kostümjacken an Hausecken in der Innenstadt vorbehalten war. Die mussten sich bei Wind und Wetter die Beine in den Bauch stehen, waren Spott und Häme der Passanten ausgesetzt und warteten…

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