Du und ich und Tony Iommi

By

Ich hätte misstrauisch werden sollen, als Josef Pelzfuß mir beim Kofferpacken nervös über die Schulter schaute. Aber da dachte ich mir noch nichts und schmuggelte einen knappen Bikini mit tropischem Muster unter die Handtücher. In Gedanken sah ich Josef und mich Hand in Hand am Strand entlang schlendern und spürte neben der Vorfreude schon die Brise der Biskaya in meinem Haar. Drei Wochen lagen vor uns. Drei Wochen ohne meine mürrische Mitbewohnerin, ohne ihren müffelnden Leguan Fabrizius und ohne das Hämmern der Nähmaschinenfabrik im Erdgeschoss. Ich warf das Sonnenöl in den Koffer, klappte ihn zu und machte ein paar südseeartige…

Read More

Wann heilen die Wunden?

By

Der kleine Mann kratzt sich mit dem dicken Zeigefinger an der Nase und wackelt langsam mit dem Kopf. Dann lacht er und klatscht vergnügt zweimal in die Hände. „Vielleicht morgen, vielleicht nie. Wer kann das schon wissen?“ Er kichert und schnippt mit dem dicken Zeigefinger gegen den Verband. Dann hält er sein Stethoskop dagegen und lauscht mit gerunzelter Stirn. „Nichts zu hören“, sagt er nach einer Weile und schnippt erneut, diesmal etwas fester. Luna Pelzfuß stöhnt vor Schmerz. „Na also!“, ruft der Professor erfreut und steckt das Stethoskop in die Tasche seines weißen Kittels. „Das hat weh getan!“, beschwert sich…

Read More

Tanz der Ambivalenzen

By

Einerseits mag ich keine Fremdwörter und den Witz mit Catherina Ambivalente habe ich bereits vor zehn Jahren in einem Text verbraten. Das passiert mit der Zeit immer öfter, dass ich eine schneidige Formulierung benötige, aber sie ist gar nicht mehr schneidig, sondern steht verbraucht und stumpf in einer alten Geschichte, für die sich schon niemand interessiert hat, als sie noch aktuell war, was eine Mischung aus Düsterkeit und Verbitterung in mir weckt, für die ich mich räche, indem ich ellenlange Sätze hinschreibe, die am Ende nichts aussagen, nur um meine Leser zu ärgern. Aber andererseits: Protoplasma. Das ist ein feines…

Read More

Die schwebende Kugel

By

Die Leute dachten, es würde sich niemals etwas ändern. Doch seit der Haderlump ein Projektil mit seinem Ohrwaschel aufgefangen hat, ist nichts mehr, wie es war. Kreischend tanzt der Herr der Schöpfung mit seinen Lakaien, sie wirbeln in einer Mischung aus Bräsigkeit und Hysterie über die Bühne, präsentieren der Menge ihre roten Hinterteile und picken sich gegenseitig Flöhe aus dem Pelz, um diese dann in Siegerpose in die Höhe zu halten, während die anderen Primaten sich beschämt abwenden. Ich wünschte, das Publikum würde einfach gehen, die Bande unbeachtet stehenlassen. Oder wenigstens zu Seite treten. Dann wäre ich eine schwebende Kugel,…

Read More

Im Bann

By

Früher, als die Welt noch magisch war, belegte man die Böslinge mit einem Bann, damit sie keinen Schaden anrichten können. Zugegeben, ganz so einfach war das nicht, und es ist auch nicht die Wahrheit, aber es könnte immerhin ein klein wenig wahr sein. Und das genügt heutzutage. Vielleicht hat es auch früher schon genügt, wer weiß das schon? Für Ruben Pelzfuß spielt das keine Rolle. Ruben Pelzfuß ist zornig. Man hat ihn aus dem Paradies vertrieben, ohne dass er je eine Frucht vom Baum der Erkenntnis gekostet hätte. Das ist schlicht skandalös. Sippenhaft ist das. Ungeheuerlich. Er beißt die Zähne…

Read More

Eine Zeit der rüden Worte

By

Diese Gleichzeitigkeit von Todesangst und Sorglosigkeit erweckt den Wunsch in mir, die Leute zu schubsen oder zu stechen oder ihnen die Haut mit einem Spargelschäler abzuziehen. Irgendwas, damit sie danach tot sind jedenfalls. Es sollten überhaupt viel mehr Leute tot sein. Über die Toten spricht man nur Gutes. Einen angenehmen Umgangston gäbe es und mehr Platz und weniger Kohlendioxid und keine Massentierhaltung. Ein Spargelschäler? Echt jetzt? Das ist nur ein Beispiel, wie man mit einem an sich harmlosen Haushaltsgerät ein Blutbad anrichten könnte. Schau nicht so. Ich mache es ja eh nicht. Wie sollte das auch gehen? Die meisten Leute…

Read More

Schinderellas therapeutische Busfahrt

By

Die Frau am Fahrkartenschalter schaut mich böse an, als ich ihr erzähle, dass ich bereits ohne Erfolg versucht hätte, die Karten online zu kaufen. „Bei uns gibt es nichts online“, sagt sie und spuckt in ein Porzellanschälchen auf ihrem Tresen. Dann verschränkt sie zufrieden die Hände vor dem Bauch und schweigt. Ich warte einen höflichen Moment und deute mit der Hand auf ein Schild, das an der Glasscheibe hängt. „Schinderellas therapeutische Busfahrt“, steht dort in gutgelaunten, bunten Buchstaben. „Zweimal, bitte!“ Die Frau betrachtet die Spuckebläschen in ihrem Schälchen, macht jedoch keine Anstalten, mir die Fahrkarten zu verkaufen. „Es soll ein…

Read More

Ein fremder Käfer

By

„Über manche Dinge kann man einfach nicht mehr schreiben!“, ruft der junge Mann mit dem Dichterhaarschnitt aus und schreitet leidenschaftlichen Schrittes und nur mit einem zerknitterten Leintuch bekleidet in ihrem Schlafzimmer auf und ab. Jane Pelzfuß umklammert ihre Kaffeetasse mit beiden Händen, betrachtet vom Bett aus seinen Rücken und bemüht sich, an etwas anderes zu denken. Zu diesem Behufe sagt sie leise „Echt?“. Das Fragezeichen ist nur ein Hauch, mit dem sie die Gedanken in eine andere Richtung pustet. Der junge Mann hat es gehört und fährt fort: „Ja, echt! Über eine Revolution der Tiere oder eine Welt, in der…

Read More

Eine Oktave zu tief

By

Als Kind dachte ich, die Oktave sei die Primaballerina unter den Protisten. Unter meinem geistigen Mikroskop schwebte sie auf plüschigen Scheinfüßchen dahin, neigte graziös ihre Geißel und ließ ihre Wimpern zittern, um dann in einer wilden Pirouette zu den Klängen von Prokofjews Cinderella über den Rand des Objektträgers hinauszutanzen und ihren durchscheinenden Leib in der Sonne zart schimmern zu lassen. Allerdings musste man als Oktave Obacht geben, dass man nicht zu tief sank. Denn dort unten, in einem vom menschlichen Ohr ungehörten Sumpf, lag die Sub-Kontra-Oktave auf der Lauer. Stets bereit, gefallene Tänzerinnen für ihre Sache zu rekrutieren, lungerte sie…

Read More

Der Geruch von Leder

By

Hier stinkt es. Man sagt das so dahin. Wie man eben auch sagt: Wir gehen nach Norden. Oder: Es gibt Erbsensuppe. Und dann erwartet man, die Leute müssten einen verstehen. Doch Gerüche sind heikel. Je nach Person kann betörendes Aroma fauliger Mief sein. Der Geruch von Leder entführt Paula Pelzfuß in ihre Kindheit, geradewegs in die indianische Phase ihres Vaters. Im Wohnzimmer lagen Elchhäute so hoch aufgestapelt, dass Paula Pelzfuß nicht darüber hinwegsehen konnte. Der Vater saß im Schneidersitz auf einem kleinen Teppich, pfiff ein fröhliches Liedchen und nähte mit einer Knochennadel neue Garderobe für die ganze Familie. Als Faden…

Read More