Den Finger im Nichts

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Es gibt Verbindungen, die lassen sich einfach nicht lösen. Wenn jemand von Quitten spricht oder Quitten irgendwo zu sehen sind, höre ich sofort ein bestimmtes Geräusch. Die Hand meines Großvaters, die kräftig über den Kunstfaserstoff des Hauskittels reibt, der den Hintern meiner Großmutter bedeckt. Das kann man auch umdrehen und mit dem Kunstfaserstoff beginnen, statt mit der Hand oder man legt das Augenmerk auf die Reibung, wenn man es physikalisch genau nehmen möchte. Wobei man dann auch Ohrenmerk sagen müsste. Das sind Fipsereien, die Sie gerne selbst erledigen können, das ist Geschmackssache. Darum geht es nämlich: Geschmack. Während er den…

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Der brave Soldat Fake

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Neulich war ich zum Familienrat eingeladen. Es gab Probleme mit meinem Neffen. „Entweder ich gehe zur Polizei oder ich werde Soldat!“, schleuderte er seiner Mutter entgegen, als es einmal mehr darum ging, dass Fritz sich langsam einen Beruf aussuchen müsse. Meine Schwägerin rang die Hände und Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Mein Bruder ist ein friedfertiger und umgänglicher Zeitgenosse, doch bei der Staatsmacht sieht er rot. Sein eigen Fleisch und Blut in Uniform? Das konnte nicht gut ausgehen. Das Haus meines Bruders ist Konflikte nicht gewöhnt und so wackelten die Wände, das Wasser gefror in den Leitungen und die Rohre…

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Plädoyer für ein Beuteltier

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Ein Raunen ging durch den Gerichtssaal, als der Beutelwolf in Handschellen vorgeführt wurde. Die Kappe saß schief auf seinem Kopf und pinkfarbene Beulen leuchteten in seinem Gesicht. Wahrscheinlich hatten ihm die Wachen das Fell über die Ohren gezogen, aber die meisten fanden, das geschehe ihm recht. Umständlich platzierte er seinen Hintern auf der Anklagebank, faltete die Pfötchen vor dem Bauch und begrüßte die Reporter mit einem präpotenten Grinsen. Während die Anklageschrift vorgelesen wurde, fielen dem Beutelwolf die Augen zu und er schnarchte leise. Einmal schreckte er hoch und rief „Karpatenknörze!“, was tags darauf in allen Zeitungen zu lesen war. Noch…

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Und die Taschen voller Staub

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Irmhild Pelzfuß findet schon lange keinen Gefallen mehr an der Welt, deshalb geht sie auch kaum mehr hin. Angefangen hatte das Ganze, als sie mit ihrer Familie auf die andere Seite der Berge gezogen war. Einerseits war das eine Erleichterung gewesen, weil sie dadurch ihren Patenonkel los wurde, der bei jeder Gelegenheit mit seinem Gemächt herumgewedelt hatte, aber anderseits sagten die Leute Puderzucker statt Staubzucker. Das muss man sich mal vorstellen. Puderzucker. Als wohnte man nicht in einem unbedeutenden Kaff neben einem Gefängnis, sondern in Frankreich bei Hofe. Ab da wurde es immer schlimmer: Die Hagelkörner wurden von Jahr zu…

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Der Regenbogenschöne und die Dunkelmaus

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Der Regenbogenschöne ist gewöhnt zu bekommen, wonach es ihn verlangt. Möchte er zum Beispiel ein Tröpfchen Weinbrand in seinen Morgenkaffee, so eilt gleich eine seiner klugen und schönen Frauen mit einer geschwungenen Karaffe herbei. Das kommt allerdings kaum vor, denn Weinbrand am Morgen gehört nicht zu seinen Gewohnheiten und es käme ihm auch nicht den Sinn, sich von seinen Frauen bedienen zu lassen. Der Regenbogenschöne ist vorsichtig mit seinen Wünschen und Forderungen, denn er weiß, es wird ihnen umgehend stattgegeben. Das unterscheidet ihn von einem dahergelaufenen Fatzke, der denkt, alles müsse nach seinem Schädel gehen. Die Dunkelmaus bekommt nie, was…

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Südwind

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In meiner Familie war der Wind eine Angelegenheit von großer Bedeutung. Meist kam er aus dem Ausland und war allein deshalb bereits suspekt. Der Ostwind zum Beispiel. Direkt aus Russland kam der und roch nach nassen Lederstiefeln, Blut und Stalingrad. Mein Großvater hätte ihn am liebsten verboten, doch seine Macht reichte dazu nicht aus. Als ich zum ersten Mal einen leibhaftigen Russen traf, staunte ich nicht schlecht, denn er roch ganz normal. Der Wind aus dem Westen brachte in der Regel ein Unwetter mit. Zornig warf er Regentropfen gegen die Fensterscheiben und rüttelte fauchend an den Bäumen. Der Nordwind stach…

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Publikumsbeschimpfungen

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Wenn man, wie Eva Pelzfuß, stets hin- und hergerissen ist zwischen den Dingen, kommt man im Leben nicht zu sonderlich viel. „Man hat immer eine Wahl“, hatte es in ihrer Familie geheißen. So springt sie morgens aus dem Bett und bereits auf dem Weg zur Toilette lauert ihr wählbares Zeug auf. Zähe Schatten in unterschiedlichem Grau umschleichen sie, flüstern, raunen, zischen: Trink erst mal einen Kaffee! Nein, mach Gymnastik! Leg dich wieder hin! Du könntest eine Runde spazieren gehen. Als erstes eine kalte Dusche, damit du wach wirst. Oder lieber eine heiße Dusche. Kauf dir ein Pony. Oder besser einen…

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Ein Nachmittag im Waschsalon von Kafka David Friedrich

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Eigentlich hat die Geschichte mit dem Saharastaub angefangen. Oder mit dem Duft der Blüten des Zierapfelbaums im Park. Das weiß ich jetzt nicht mehr so genau. In letzter Zeit merke ich mir die Dinge nur noch ganz kurz, damit ich offen für Neues bleibe. Der Saharastaub kommt gar nicht aus der Sahara, das habe ich irgendwo gehört. Das ist nur ganz gewöhnlicher Blütenstaub von irgendeinem x-beliebigen Baum. Linde oder Tanne, das weiß ich jetzt nicht mehr so genau. Jedenfalls nicht Zierapfel. Aber Sie wollen ja die Geschichte hören. Kein Schwein interessiert sich für Zierapfelbäume, obwohl die im Frühling einen betörenden…

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Beim Barte der Prophetin

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In der Karwoche wird es Mona Pelzfuß immer ganz spirituell Zumute. Die übrigen Geschehnisse im Kirchenjahr berühren sie nicht. Die Familie Pelzfuß ist kommunistisch bis in die Knochen und der Klassenkampf ist Monas Lametta. Aber die Osterzeit! Verrat, Passion, Mord und Auferstehung. Da kann die Übernahme der Produktionsmittel durch das Proletariat einfach nicht mithalten. Allein die Namen der Tage bringen eine magische Saite in Mona Pelzfuß zum klingen: Palmsonntag, Gramdienstag, Karfreitag und so weiter. Mona Pelzfuß bindet sich den Prophetenbart um und übt Zuhause vor dem Spiegel ihre Bergpredigt. „Ich aber sage euch, der Schamhügel ist der Kalvarienberg des kleinen…

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Das Ehegrab

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Mein Vetter Kopernikus bekam als Kind regelmäßig den Hintern mit dem Teppichklopfer versohlt. Wegen seines Humors. Kein Mensch in unserer Familie sagte übrigens Teppichklopfer. Der Pracker lehnte in der Küche meiner Großmutter bedrohlich schweigend neben dem Herd und wartete, bis die Späße meines Vetters seiner Schläge wert waren. „Deine dummen Witze werde ich dir schon austreiben“, sagte meine Großmutter, doch es gelang ihr nicht. Kopernikus blieb lustig. Als wir anderen Kinder auf weiterführende Schulen gingen, war Kopernikus längst dem Zischen des Prackers entflohen und arbeitete als Gärtner auf dem Friedhof, wo seine Schabernacke von den Toten unbemerkt blieben und die…

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