Der Kalif vom Karstadt

Der Kalif vom Karstadt ordnete ein letztes Mal das Beilagengemüse auf seinem Teller. Ein schmaler Junge stand plötzlich vor ihm, die Hände zu Fäusten geballt. „Bitte, helfen Sie meiner Mutter. Sie ist sehr krank.“

Der Kalif vom Karstadt bestellte einen Espresso und ein Dessert bei der Kellnerin, die das Tablett abräumen wollte. Er hatte alles aufgegessen, nur das blassgrüne Gemüse lag noch da. Und ein Apfel.

„Was kann ich tun?“, fragte der Kalif vom Karstadt. Der Junge blickte zu Boden. „Sie ist sehr krank. Bitte helfen Sie ihr!“

Der Kalif vom Karstadt dachte nach, dann räusperte er sich. „ZUKUNFT IST JETZT“, sagte er. Dann griff er nach dem Apfel und gab ihn dem Jungen. „Für deine Mutter.“

Der Junge nahm den Apfel und bedankte sich leise für den schwachen Trost.

Wenig später löffelte der Kalif vom Karstadt gedankenverloren seinen Vanillepudding mit Schokostreuseln. Eine junge Braut und ihr Bräutigam traten nervös vor ihn. „Wir wollen heiraten“, sagte die Braut leise.

Der Kalif vom Karstadt schob den leeren Puddingbecher beiseite. Er hatte, bis auf die Schokostreusel, die er verachtete, den Nachtisch genossen. Innere Milde erfüllte ihn.

„Wir erbitten Ihren Segen“, sagte der Bräutigam mit vor Aufregung glühenden Ohren. Der Kalif vom Karstadt sah ihn aufmerksam an. „Warum?“, fragte er.

Jetzt errötete auch die Braut. „Weil wir uns lieben.“ Der Kalif vom Karstadt nickte mit Bedacht. „LIEBE IST MACHT“, sagte er. Er nahm die Schokostreusel und streute sie über das junge Paar. „Gesegnet seid ihr.“

Warmes Licht umhüllte das Liebespaar. Braut und Bräutigam strahlten wie die nachmittägliche Sonne, als sie die Restaurantetage Richtung Aufzug verließen.

Der Kalif vom Karstadt nahm seinen Übergangsmantel, den er sorgfältig über die Lehne des leeren Stuhls neben sich gelegt hatte. Er schlürfte das letzte Pfützchen seines Espressos, der mittlerweile kalt geworden war. Dann winkte er die Kellnerin zu sich. „Sagen Sie dem Koch“, sagte er mit ruhiger Stimme, „sollte ich jemals wieder Schokostreusel in meinem Pudding finden, werde ich zu drakonischen Maßnahmen greifen müssen.“

Er erhob sich, warf einen letzten Blick auf seinen Stammplatz und verließ das Restaurant. Eine Seniorin, der er die Tür aufhielt, hörte, dass der Kalif fast unhörbar murmelte: „DIE WAHRHEIT IST EIN DOLCH.“ Aber sie wusste nichts damit anzufangen.