Der Priester muss weg, der Priester soll gehen. Der Priester trägt heute ein Hemd, auf dem das Alphabet gestickt ist. Alle Wörter dieser Welt kann er aus den Buchstaben formen: Artenvielfalt, Beschlusskraft, Dissonanz, Wolgaschifffahrt, um nur ein paar zu nennen.
Doch der Priester hat den Bogen überspannt, findet die Dorfgemeinschaft. An einem Abend im Sommer beschlossen die Ältesten, dass das Fass nun voll, übervoll und die Zeit gekommen sei, dem Priester ein für allemal und unmissverständlich klar zu machen, dass nun Schluss sei mit Worten und immer nur Worten. Das Dorf wollte den Priester hängen sehen oder brennen oder in eine Salzlake getaucht und den fleischfressenden Ziegen zum Fraß vorgeworfen.
Einzig die Witwe des Bestatters brachte Einwände vor: Sie könne, seit ihr Ehemann von ihr gegangen, die liegengebliebene Arbeit schon jetzt kaum bewältigen. Doch sie fand kein Gehör und der Abend endete damit, dass die Männer anfingen, für alle Fälle die Messer zu wetzen. Viel Bier wurde getrunken – der Blutdurst hatte die Kehlen trocken werden lassen.
Die Witwe hatte noch einen Braten im Ofen und wollte früh zu Bett. Der Ordner an der Tür trat zur Seite und ließ sie gehen. Die Witwe dachte jedoch gar nicht an ihren Braten, sie eilte zum Priester und wollte ihn warnen. Der Priester tat die Warnung mit einer Handbewegung ab und schalt sie eine Närrin und ein faules Stück alten, welken Fleisches. Die Witwe des Bestatters zuckte mit den Schultern und begab sich zu ihrem Braten.
Die Dorfgemeinschaft hatte Fackeln entzündet und marschierte im Gleichschritt auf das Haus des Priesters zu. „Der Priester muss weg! Der Priester soll gehen!“, skandierten sie heiser vor Zorn.
Der Priester konnte es nicht verstehen, er stand vor dem Spiegel und probierte neue Wörter aus: Gleichklang. Rotorblatt. Feuerstelle. Bei jedem Wort hielt er inne und überprüfte, ob es mit den Buchstaben auf seinem Hemd gebildet werden konnte.
Am Haus des Priesters angekommen, setzte die Dorfgemeinschaft erst die Laube, dann das strohbedeckte Dach und schließlich den Priester selbst in Brand. Er wollte noch etwas sagen, doch seine Zunge stand schon in Flammen und er schwieg. Die Männer des Dorfes aber klopften einander auf die Schultern. Bis in die späte Nacht.