Der Salat des Heiratsschwindlers

Tage vergehen. Ich werde mir jetzt mal einen Salat machen. Denn schließlich, und das gilt es gerade für einen Mann meines Standes zu beachten, ist unser Körper heilig und dementsprechend pfleglich zu behandeln.

Wenn das Wetter mitspielt, werde ich morgen anfangen zu schwindeln. Ihr sollt dann mal sehen, was ein Kavalier alter Schule noch so drauf hat. Den Salat mache ich sicherheitshalber erst später – nichts wäre doch bedauerlicher, als wenn seine Kraft zu früh verpuffte und sie mir beim Heiratsschwindeln dann nicht mehr zur Verfügung stünde – ich esse stattdessen eine Handvoll Nüsse und rauche eine Zigarette.

Tage vergehen. Das Wetter hat nicht mitgespielt. Es ist zwar nicht mehr so kalt, dafür umso windiger. Und zwar derart, dass der Wind winzige Sandkörner durch die Straßen peitscht. Ich weiß gar nicht, wie man so ein Wetter nennt. Die Salatzutaten beginnen zu welken, von einer der Tomaten steigen Fruchtfliegen auf, ich werde sie entsorgen müssen, wenn ich sie nicht zeitnah verwende. Wie soll ich denn … ich meine, ich kann doch nicht heiratsschwindeln, wenn ich nicht in Form komme und dazu gehört nunmal eine gesunde Ernährung. Für heute sehe ich allerdings schwarz, was die gesunde Ernährung angeht. Also doch wieder nur eine Handvoll Nüsse und eine Zigarette vor dem Zähneputzen.

Tage vergehen. Man sagt ja, ein Heiratsschwindler ist immer nur so gut wie sein letzter Schwindel, und ich glaube das auch. Schon als Nachwuchsheiratschwindler habe ich die Nase gerümpft über die alten verbrauchten Schwindler, die uns Jüngeren von vergangenen Heldentaten der Schwindelei und des Betrugs erzählten und dabei feuchte Augen bekamen und meinten, früher sei doch alles einfacher gewesen. Erbärmlich fand ich das.

Meinen Salat kann ich wohl vergessen. Ich habe eben mit dem Finger ins Grünzeug gefasst und keinen Widerstand mehr gespürt. Die Gurke nur eine schleimige Masse, mühsam durch die Schale zusammengehalten. Auf den Champignons wachsen schon eigene Pilze, aber ob die essbar sind, bleibt noch herauszufinden. Eine Handvoll Nüsse und eine Zigarette werden es heute tun müssen.

Tage vergehen. Wie soll denn ein Heiratsschwindler seine Aufgaben erfüllen, wenn sich das Wetter nicht langsam bessert? Früher, ja früher, da habe ich bei Wind und Wetter geschwindelt, dass es eine wahre Freude war. Aber früher war das Wetter auch irgendwie … gemäßigter, kommt mir vor.

Ich habe mir einen Smoothie aus dem Salat machen müssen. Den konnte man beim besten Willen nicht mehr essen. Das Pürieren hatte etwas erstaunlich meditativ Befreiendes. Jetzt steht das Getränk hier auf der Anrichte und blubbert grünbraun vor sich hin. Es riecht säuerlich und muffig und ich fürchte, es wird meine Bemühungen nicht wirklich unterstützen können, mich in dieser doch stark, und nicht zu ihrem Vorteil, veränderten Welt erneut als der erfolgreiche Heiratsschwindler zu etablieren, der ich einmal gewesen bin. Das heißt, der ich war, bevor die jungen Männer kamen und den Markt kaputtgemacht haben mit ihren neuen Wegen und Methoden.

Der Smoothie sieht aus, als bräuchte er selber Unterstützung, nur um im Becher zu bleiben. Ich werde ihn jetzt erlösen, mir die Nase zuhalten, und ihn hinunterstürzen. Oder doch erst morgen. Die Zigaretten und die Nüsse gehen zur Neige, für heute reicht es noch. Aber irgendwann trinke ich ihn bestimmt. Hilft ja nix.