Der karmesinrote Husten geht in unseren Landen um. Der größte Teil der Bevölkerung ist nicht seuchenerprobt und weiß kaum etwas mit der neugewonnenen Länge der Tage und Monate anzufangen – es herrscht bedingte Ausgangssperre, wobei sich die in den Medien verbreiteteten Bedingungen täglich, oft zweimal täglich, ändern. Wir haben viel Zeit.
Viel Zeit und wenig Geld. Für zwei Rollen Toilettenpapier und ein Fläschchen Sonnenblumenöl haben die Nachbarn aus dem Vorderhaus schon ihren Sohn und ihre Tochter ins Pfandhaus gezerrt und versetzt. Darauf angesprochen, sagte die Mutter, eine ehemals respektable Physiotherapeutin, dass sie jederzeit neue Kinder machen könne. Sie warte jedoch bis sich die Lage wieder normalisiert habe. Wie so vielen, hat die Krankheit ihr Herz verhärtet.
Wir nennen den karmesinroten Husten hinter vorgehaltener Hand und unseren Masken die Flüsterpest und die junge Generation kann sich kein Leben mehr ohne sie vorstellen.
Auf dem Bürgersteig wenden wir uns alle voneinander ab; die Regierung empfiehlt es, und verkündet wieder einmal Änderungen der Hygiene-und Sozialregeln. Desinfektionsmittel und Atemschutz sind Tag und Nacht mit sich zu führen. Ausnahmefälle werden abgeschafft, Hochrisikopatienten vorsorglich gekeult.
Ich gehe noch einen Schritt weiter: ich huste nicht nur in die Armbeuge, ich rülpse auch in die Kniekehle, ich atme durch mein Schamhaartoupet und blicke nurmehr durch Bildschirme auf die Welt. Man kann nicht vorsichtig genug sein.