Durchs Weitwinkelsubjektiv betrachtet

In letzter Zeit behaupten meine Freunde, ich hätte einen Tunnelblick. Da es mich tatsächlich hin und wieder beim Schauen zwickt, denke ich, mein Fokus ist vielleicht zu eng. Und enge Sachen mag ich mit zunehmendem Alter immer weniger. Also habe ich mir im Versandhandel ein Weitwinkelsubjektiv bestellt.

Vorgestern ist es angekommen und zunächst war ich eingeschüchtert von der Größe des Pakets. „Die glauben doch nicht allen Ernstes, ich laufe mit so einem Riesending herum!“, habe ich gerufen, wie immer ohne zu wissen, wer „Die“ sind. Aber „Die“ hoffe ich dann endlich mit meinem Weitwinkelsubjektiv erkennen zu können, genau viele andere Phänomene, die mir bisher verborgen geblieben sind. Meine Sorge war jedoch unbegründet, denn in dem Paket befand sich ein weiteres, viel kleineres Paket, das dick in Luftpolsterfolie eingeschlagen war.

Das Subjektiv benötigt keine Batterien, sondern wird über kleine Solarpaneele betrieben, die man sich auf die Stirn klebt. Wenn man sie nicht allzu viel runzelt, halten sie passabel und den kleinen Saugnapf mit dem das Weitwinkelsubjektiv auf der Nase befestigt wird, spürt man nach ein paar Minuten kaum noch.

Der Panoramablick auf die Welt ist indes kaum auszuhalten, weshalb ich häufig von dem mitgelieferten, schwarzen Samttüchlein Gebrauch mache. Das lege ich mir über die Augen und genieße die Dunkelheit. Am Schlimmsten ist der Anblick von „Denen“. Zum einen hatte ich keine Ahnung, wie viele es von ihnen gibt, zum anderen sind sie überwiegend hässlich und schnattern den lieben langen Tag bösartig vor sich hin. In der Beschreibung war keine Rede davon, dass man mit dem Weitwinkelsubjektiv auch mehr hört.

Alles in allem gebe ich dem Ding einen Stern, wenn es ginge würde ich nur einen halben Meteoriten vergeben. Das nächste Mal kaufe ich mir lieber so einen Ring, von dem man glücklich wird.