Hildegard Magerkost war nach eigenem Empfinden beileibe keine Schönheit. Nur in ihrem Garten, umgeben von Rosen in allen Farben, Rosen aus Krepppapier, aus Porzellan, zwischen Hagebutten und Blüten fühlte sie sich akzeptabel.
„Hilde, verrohe nicht!“, flüsterten ihr die Blumen zu. Doch das war leichter empfohlen als durchgeführt; wie Hildegard Magerkost zu ihrem Leidwesen feststellen musste, entwickelten die Rosen zunehmend autokratische Züge.
Mit den Jahren sprossen in den Sträuchern und Büschen Kameras wie Knospen, der natürliche Duft wurde jede Saison ein bisschen mehr von billigem Parfüm ersetzt. Hilde vermisste den ursprünglichen Zustand des Gartens, ohne dass sie hätte sagen können, wann der Wandel begonnen hatte.
Die Kameras zoomten auf ihr Gesicht, registrierten und bewahrten jeden Ausdruck in winzig kleinen Speichern. Hildegard Magerkost berührte die Rosen, streichelte Stoff und fuhr mit dem Finger das Porzellan entlang, umfasste die frische Griffigkeit der lebenden Pflanzen.
„Was soll ich tun – wie bleibe ich Mensch?“, dachte sie und alle Rosen wiegten zur Antwort bedächtig die Köpfe.
