Kleine Ballade vom Gleichgewicht

Bodacia Pelzfuß arbeitet im Tyrannenpalast. Sie schreibt Glückwunschkarten, Drohbriefe und Festreden für den Herrscher. Für gewöhnlich geht ihr die Tätigkeit leicht von der Hand. Die Ansprüche sind nicht hoch und von ihrem Bürofenster aus sieht sie grüne Hügel, die bis zum Horizont dahinwabern und das Gehirn in friedliche Stimmung versetzen. Aber heute will ihr gar nichts einfallen.

„Eine kleine Ballade vom Gleichgewicht“, hatte der Tyrann auf den Fußspitzen wippend gesagt und die Lippen geschürzt, so dass er noch mehr als sonst wie eine Kasperlefigur aussah. „Die hätte ich gerne bis morgen. Als Geschenk für diesen widerspenstigen Ajatollah.“

Eine kleine Ballade, denkt Bodacia voller Zorn und kickt einen rosa Radiergummi durch ihr Büro.

Das Gleichgewicht ist eine empfindliche Sache und eine Ballade nicht klein und Bodacia muss ständig an das freitägliche Köpfen denken. Womöglich bleibt ihr das nicht mehr allzu lange erspart. Was soll’s? Das Zischen des Fallbeils wird ein schöner Kontrast zu den Schmeicheleien der Höflinge.

Statt Messer zu wetzen
Das Gleichgewicht nicht unterschätzen
Denn am Ende genügt ein Steinchen
Und schon fährt zur Hölle das Schweinchen