Die Frau im weißen Kittel klopft mit dem Finger auf die Armbeuge und zieht die Brauen zusammen.
„Sie haben aber keine schönen Venen“, sagt sie mit fröhlichem Tadel in der Stimme.
Ophelia Pelzfuß betrachtet neugierig ihren Arm. „Man sieht doch gar nichts. Wie kann etwas unschön sein, wenn man es gar nicht sieht?“, erwidert sie und wünscht sich sogleich, sie hätte nichts gesagt. Die Frau im weißen Kittel wird denken, Ophelia sei neunmalklug und dann wird sie schlechte Laune bekommen und sich keine Mühe geben mit ihrer Nadel und Ophelia wird tagelang einen dicken, blauen Fleck mit sich herumtragen.
Die Frau legt die Nadel beiseite und überlegt.
„Wissen Sie, was ich wirklich ärgerlich finde? Das ewige Geschnatter der Leute, denken Sie jetzt wahrscheinlich. Aber das ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, wenn die Leute verlangen, dass man ebenfalls schnattern soll. Wenn einem Haltungen und Meinungen unterstellt werden, nur weil man selbst nicht ständig zu allem und jedem etwas zu sagen hat. Wer schweigt, stimmt zu, heißt es dann. Dabei kann man auch schweigen, weil man nicht die richtigen Worte findet. Oder weil es keine richtigen Worte gibt. Oder weil man die eigenen Worte nicht in das allgemeine Geschnatter stoßen möchte, denn sie sind einem lieb und teuer. Oder weil man sich Stille wünscht. Das finde ich wirklich ärgerlich.“
Um ihrem Ärger Luft zu machen, klopft die Frau im weißen Kittel fester auf Ophelias Armbeuge und endlich schimmert es bläulich unter der weißen Haut. Ein zufriedenes Lächeln erscheint auf den Lippen der Frau und sie nimmt ihre Nadel wieder in Hand. Mit der anderen betastet sie zärtlich den blauen Schimmer. Ophelia spürt nicht den kleinsten Schmerz. Ihr Blut läuft wortlos in die Röhrchen und die Frau pfeift ein Liedchen dazu.