„Weiße Nächte mit Miesmut“ – Blick ins Buch

Der Weg zur Nusshändlerin war beschwerlich und von zerschlissener Begrünung gesäumt. In den Hinterhöfen Kinder in kurzen Hosen aus braunem Tuch. Sie spielten mit alten Dosen, als kämen sie aus einer anderen Zeit. Ein muffiger Sprühregen setzte ein, der Schmutz auf dem Gehweg wurde schlüpfrig. Sie kniff die Augen zusammen. Durch die Tropfen an ihren Wimpern sah sie wie durch einen Schleier das geduckte Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich der Nussladen befand. Wie ein vor Wochen gehäuteter Igel.

Die Fenster waren dunkel und das Schild über der Ladentür war entfernt worden. Besorgt trat sie näher, in der Hoffnung, eine Nachricht für die Kundschaft an der Tür vorzufinden. Aber da war nichts. Sie spähte durch die Scheiben, konnte leere Regale ausmachen, die wie zahnlose Münder gierig in die Dunkelheit nach Inhalt schnappten. Verunsichert trat sie an die Klingelschilder heran. Entweder waren sie unbeschriftet oder nicht lesbar, nur neben der untersten Klingel war ein Messingschild mit Gravur angebracht. ‚Hauswartin‘ stand da in verschnörkelter Schrift. Noch bevor sie den Knopf drücken konnte, wurde die Tür aufgerissen.

‚Was suchen Sie hier?‘, fuhr ein altes Weib sie an. Die Ohrläppchen waren grotesk in die Länge gezogen, schwere Hänger staken darin. Die Alte war in groben Wollstoff gekleidet, die Ohrringe aus klobigem, geschliffenen Glas passten gar nicht dazu.

Sie räusperte sich. ‚Ich wollte Nüsse kaufen. Aber der Laden ist geschlossen. Es sieht aus, als wäre der Besitzer umgezogen. Wissen Sie etwas darüber?‘

Die Alte sah böse unter ihrem Kopftuch hervor. Mit knorrigen Fingern fuchtelte sie in der Luft, als würde sie eine magische Beschwörung ausführen.