Wen man vor sich hat

McMurphy spuckt seine Zigarettenkippe mit einem Schluck Rotwein aus und verzieht das Gesicht, als ob ihm der Wein nicht schmeckt.

„Schmeckt dir der Wein nicht?“, fragt Gabriele Pelzfuß.

Am Wein gäbe es nichts auszusetzen, antwortet McMurphy, es sei die Weltlage, die ihm das Gesicht verzöge. Weil man als Staatsmann sein Verhalten daran anpassen müsse, wen man vor sich habe. Früher sei das Gang und Gäbe gewesen, jeder Bezirksrat habe das gewusst, aber heute, mit den ganzen Flitzpiepen, die hätten keine Ahnung, wie man sich auf dem internationalen Parkett bewegt.

Gabriele Pelzfuß wirft sich das Poliertuch über die Schulter und stellt sich auf die Zehenspitzen, damit sie ein Weißbierglas auf das oberste Regalbrett hinter der Theke räumen kann.

„Ein Glück, dass hier nicht das internationale Parkett ist“, sagt sie.

McMurphy macht ein abfälliges Geräusch und beschwert sich, Gabriele würde die Sache nicht ernst nehmen. Es sei schließlich etwas Anderes, ob man einen popeligen Küstenstreifen bombardiere, dessen Bewohner seit knapp 100 Jahren von Ali Baba und den vierzig Räubern terrorisiert würden, oder ob man sich mit einer Atommacht anlege. Da müsse man schon einen Unterschied machen als Staatsmann, weil das könne ja völlig andere Auswirkungen haben, auch auf den Rest der Welt.

Gabriele Pelzfuß hält einen gelben Lappen unter den Wasserhahn und wringt ihn dann aus. Ihre rot lackierten Fingernägel singen laut dazu.

„Ein Pech, dass du kein Staatsmann bist“, sagt sie.

McMurphy klopft mit seinem stumpfen Zeigefinger auf einen Bierdeckel, der vor ihm auf dem Tresen liegt. Er meint, das sei überhaupt das Problem heutzutage, dass die Leute nicht mehr darauf achten, wen sie vor sich haben und dann wüssten sie nicht mehr, vor wem man Respekt haben muss und vor wem nicht und am Ende gehe dann alles den Bach runter und die anderen seien die Leidtragenden.

Ob durch das Klopfen auf den Bierdeckel oder das brisante Thema – jedenfalls steigert sich McMurphy immer mehr hinein. Eine Ader an seinem Hals pulsiert, seine Stimme wird lauter und ein paar Geifertröpfchen landen auf der Theke.

„Das muss man nämlich wissen! Wer das nicht weiß, ist eine wandelnde Zeitbombe“, brüllt McMurphy.

Gabriele Pelzfuß wischt mit ihrem gelben Lappen seine Geifertröpfchen fort und sieht auf die Uhr. Nur noch eine halbe Stunde, dann hat sie es hinter sich.