Tränende Herzen

Frau 1: Läuft. Momentan. Läuft richtig gut.

Frau 2: Was ist mit deinem Gesicht? (betroffen) Was ist denn passiert?

Frau 1: Ach, das ist nichts. Ein kleines Unglück nur, ein Fehltritt. Weiter nichts. Möchtest du eine Schokolinse?

Frau 2: Ich glaube, das musst du behandeln lassen.

Frau 1: Habe ich. Habe ich doch schon.

Frau 2: Und? Was sagt der Arzt?

Frau 1: Das war kein Arzt, das war die Blumenhändlerin. Die hat mir Tränende Herzen gegeben und die sollte ich mir am Vormittag auf die Wunde tun. Da habe ich mich in den Park gelegt und mich gesund geruht.

Frau 2: Also gesund siehst du nicht gerade aus. Finde ich. Aber du musst es ja wissen. Übrigens, wie geht es deinem Kater?

Frau 1: Der streunt und freut sich eines seiner Leben. Vor einiger Zeit, also neulich, es mag nun zwei Wochen zurückliegen, da hat er mich eines Morgens geweckt und mir eine Eidechse aufs Kissen gelegt. Ich habe das Vieh mit spitzen Fingern hochgehoben und in der Hand gewogen. Ein fettes kleines Biest auf jeden Fall. Drei, vier Kilogramm, wenn das mal reicht. Ich tadelte den Kater für die frühe Störung, was er gesenkten Hauptes zur Kenntnis nahm. Ich beschloss, künftig mit Lob und Tadel ausgewogener umzugehen.

Frau 2: Entschuldige, wenn ich dich unterbreche, aber die große Wunde unter deinem Auge ist gerade wieder aufgeplatzt.

Frau 1: (ungerührt) Mit Lob und Tadel ausgewogener umzugehen.

Frau 2: Willst du nichts dagegen unternehmen?

Frau 1: Was soll ich denn tun? Ich kann den Kater ja schlecht aussperren. Er hat doch nur mich.

Frau 2: Wie geht es eigentlich deinem Alten? Ist er noch? Oder ist er wieder?

Frau 1: Nein, nein, bis zum Frühjahr muss er noch.

Frau 2: Wie lange ist er schon?

Frau 1: An meinem Geburtstag genau siebeneinhalb Jahre. Das kann ich mir gut merken.

Frau 2: Ich habe mal gehört, Katzen seien innerlich meist amüsiert.

Frau 1: Ganz ehrlich? Das glaube ich nicht.