Unterwegs #437 – Machtdemonstrationen einer neo-territorialen Zeit

Einfach tun, als wenn es immer so weitergehen würde, immer so weitergehen könnte.

Etwas über Lachen, Pfützen aus Urin und Kinderlachen, herzlich schrill im Ohr, im Tunnel, wo es hallt und schallt. Der Rest schreibt sich von selbst: Ein Hund schnüffelt an der Pfütze, wendet sich angewidert ab – wohl weil es Menschenurin ist – erkennt den Geruch im Schoß eines Geschäftsmannes, beschnüffelt und bespringt ihn, Kinder schüttelt ein Lachen, Kinder kreischen, der Mann ist tief beschämt. Der Hundebesitzer bemerkt es spät und ruft das Tier halbherzig zurück. Die Kinder heben spielerisch ihr Bein und geben vor, ihr Revier zu markieren.

Noch warte ich. Ich warte, dass die U-Bahn kommt, ich warte, dass der Hund pariert und auf den Zusammenbruch des anzugtragenden Geschäftsmannes warte ich auch. Nichts davon tritt ein, was mich betrübt: Ich schwenke traurig meine Fahne. Wahrscheinlich, denke ich, wird es immer so weitergehen. Der Fluss der Geschichten und Begebenheiten wird niemals versiegen.

„Versiegen wird der Fluss womöglich nicht“, sagt eine Stimme tief unter mir. „Aber wirst du sie erkennen, aufschreiben können? Denn bedenke, du bist sterblich, du bist das schwächste Glied der Kette der Ereignisse.“

Ich drehe mich um. Erst sehe ich niemanden, senke den Blick: Ein wenig hoher Mann lächelt breit und hebt die Schultern, als täten ihm die Tatsachen des Lebens aufrichtig leid. Ich winke ab; es ist nicht seine Schuld. Er ist derart klein, dass ich ihn ohne Mühe doppelt oder dreifach in meine Fahne wickeln könnte. Ich entscheide mich dagegen, nicht zuletzt, weil jetzt die U-Bahn kommt.