Gold oder Wurstbrot

Die Sachbearbeiterin sah mich an, mit diesem ungerührten Blick, der so typisch für ihre Zunft ist. Arbeitsaufnahme, das war ihr Stichwort. Bezahlte Tätigkeit. Als ob das so einfach wäre. Als ob mein Talent nicht weit über die tristen Angebote der Arbeitsagentur hinausginge. „Ich hätte da vielleicht eine Idee“, begann ich, und der Gedanke an eine glorreiche Karriere als Scharlatan oder, noch besser, als Heiratsschwindler, ließ mein Blut schneller fließen.

Vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits: Maßgeschneiderter Anzug, gewinnendes Lächeln, und die Kunst, Versprechungen zu machen, die so glänzend waren wie frisch geprägtes Gold. Eine Welt voller Luxus, finanziert durch das Vertrauen leichtgläubiger Seelen. Es wäre mein Weg, dem Hamsterrad der ehrlichen Arbeit zu entkommen, eine elegante Umgehung der öden Realität, die sie mir schmackhaft zu machen versuchte.

„Heiratsschwindler?“, wiederholte sie, eine leichte Hochgezogenheit der Augenbrauen verriet ihr Interesse. „Das wäre doch mal was anderes. Aber dafür braucht man Talent, Charisma, und vor allem: Durchhaltevermögen.“ Sie schien mich zu prüfen, zu taxieren, ob ich das Zeug dazu hätte, ihr und all den anderen etwas vorzuspielen.

Und genau da kam ihr Wurstbrot ins Spiel. Sie griff neben sich und hielt mir eine Tüte vor das Gesicht. Fettglänzend und schillernd. Ich konnte die Wurst riechen und wusste, dass es mehr als nur ein Mittagessen in einer Bäckertüte war. Es war die einfache, ehrliche Existenz, die sie vertrat. Ein Dasein, in dem man für sein Geld hart arbeitete, ohne falsche Versprechungen oder den Nervenkitzel des Betrugs. Gold oder Wurstbrot – die Frage, ob ich bereit war, den Preis für ein Leben im Glanz des Goldes zu zahlen, blieb an diesem Morgen offen.