Adel vergeht

Der Adel ist mir zuwider. Und das, obwohl ich selbst eine Prinzessin war. Ich weiß, man sieht es mir nicht an. Die Knochen sind zu klobig und mein Teint gleicht eher einer alten Holzschüssel als feinem Porzellan. Aber wenn Sie es nicht zu genau nehmen, sieht mein Kinn nach Habsburg aus. Als ich noch ein Kind war, kutschierte mich der Großvater in einer knallroten Karosse über meine Ländereien.
Nichts Besonderes freilich: Ein krummes Tal mit grauscharf gezackten Rändern am Übergang zum Himmel, durchschnitten von einem Fluss, dessen Wasser sich scheinbar träge und zäh durch sein Bett wälzte. Unter der meist braunen Oberfläche wohnten tückische Schnellen und Wirbel, die Jahr um Jahr Menschen, Steinböcke und Wurzelwerk wütend schmatzend mit sich rissen und stromabwärts achtlos ans Ufer warfen.
Ich saß im Fond des Wagens und blickte voller Güte auf meine zukünftigen Untertanen und schmeckte den Namen der Dörfer und Weiler nach, die mein Großvater mir vorsagte: Aldrans, Sistrans, Patsch, Pfosch, Mutters, Natters und Oberlavieren. Ich hatte vor, weise und gerecht zu herrschen. Meinen Großvater würde ich natürlich entlassen – wer wollte schon einen derart herrischen Chauffeur?
Letztendlich kam es dann anders. Aber das geht ja jedem so.