Der Barde

Als der Barde noch ein Knabe war, sang er immer von der Alm ins Tal hinunter. Die Stimme war weich und klar, wie das Wasser, das im Bächlein über das Moos auf den Steinen rann. Die Leute hielten in ihrem Tagwerk inne und hörten seine Lieder. Sonntags verbrannte der ein oder andere Braten, weil eine Küchenmagd träumend vor sich hinsummte.

Eines Abends begab es sich, dass ein weißer Kater durch das Tal kam. Er nahm auf einem dunkelgrauen Felsen im Mondlicht Platz und begann ein Liebeslied aus seiner Heimat zu singen, in der Hoffnung, bald von willigen Kätzinnen umringt zu sein. Stattdessen antwortete ihm kurz darauf die Glockenstimme des Barden. Das erboste den Kater derart, dass sein Fell von einem Augenblick auf den anderen kohlschwarz wurde. Voller Zorn sprang das Tier zu dem Haus in dem der Barde mit seiner Familie lebte. Das Maul gefüllt mit wilden Flüchen, verlangte er, der Knabe möge schweigen. Der Barde sang jedoch weiter, denn wer verstand nicht viel von Katzen und glaubte, der Kater sei zum Duett gekommen.

„Ab morgen“, fauchte das Tier, „ab morgen, soll deine Stimme klingen, wie das Krächzen einer Saatkrähe!“ Dann wandte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.

Betrübt musste der Knabe am nächsten Tag feststellen, dass der Fluch des Katers Wirklichkeit geworden war. Niemand unterbrach mehr seine Arbeit, um dem Barden zu lauschen. Die Leute wandten sich mit verzogenen Mündern ab und manche verstopften sich gar die Ohren mit Wachs. Doch der Junge konnte nichts anderes als singen und bald wurde er überall Taugenichts genannt. So vergingen drei Jahre.

Der Vater des Barden grämte sich sehr über sein Schicksal, hatte er doch große Hoffnungen in seinen Sohn gesetzt und oftmals im Lehnstuhl davon geträumt, wie er einst in großen Konzertsälen rund um die Welt seinen Sproß auf der Bühne bewundern würde. Um den Fluch zu tilgen, übergoss er sich eines Tages mit Waschbenzin und zündete sich im Vorgarten des Hauses an. Die Flammen jaulten zum Himmel und das auf der Schaukel sitzende Töchterlein schwor später Stein und Bein, dass eine schwarze Katze mit glühenden Augen fauchend aus dem Rauch gesprungen sei.

Der Feuertod vermochte den Bann aber nicht zu brechen. Der Barde zog mit gebrochenem Herzen in die Ferne und schmetterte der Welt furchtbare Lieder entgegen. Die Menschen applaudierten ihm aus Mitgefühl und er starb reich und unglücklich.