Als ich damals in den Elfenbeinturm gezogen bin, habe ich mir keine großen Gedanken über die Nachteile gemacht. Es ist eine extravagante Adresse, die Leute stellen sich Wunder was vor, aber fast niemand kommt, um es sich anzusehen.
Die selbstgewählte Einsiedelei imponiert vielen Menschen, ganz im Gegensatz zur Einsamkeit, zu der man von den gleichen Menschen verdammt wird, weil man abstehende Ohren und Mundgeruch hat, einem in Gesellschaft die Gedanken nicht ordentlich aus dem Kopf wollen oder es einem an Anmut fehlt. Über all diese Verdächte bin ich erhaben, seit ich den Turm bewohne.
Das Geländer der Wendeltreppe rutsche ich jauchzend hinunter, wenn ich in jugendlicher oder waghalsiger Stimmung bin. Meist nehme ich die Stufen jedoch einzeln und mit Bedacht, tröste meine schmerzenden Knie mit dem Gedanken an das stramme Bindegewebe, welches mir der tägliche Auf- und Abstieg unter Umständen bescheren wird.
Über die Nachbarschaft kann ich nicht klagen. Zwar kann ich bei gutem Wetter den ein oder anderen Elfenbeinturm in der Ferne erkennen, manchmal plaudere ich auch per Rohrpost mit anderen Eremiten, doch niemand beklagt sich, weil ich nachts Musik höre oder meine Socken zum Trocknen in die Sonne hänge.
Ein wahrhaftiges Paradies, wenn nur der Fensterputzer nicht wäre. Mehrmals wöchentlich erwache ich vom Rumpeln seines Außenaufzugs, drehe mich im Bett auf die andere Seite und ziehe mir die Decke über den Kopf, in der Hoffnung, er möge mich übersehen. Natürlich übersieht er mich nicht. Er hat mich noch nie übersehen. Mit dem Abziehgummi produziert er ein grässliches Quietschen auf der Scheibe. Wieder und wieder zieht er das Ding kreuz und quer über das Glas. Erst wenn ich mich im Bett aufsetze und ihm ermunternd zunicke, hält er inne, hängt den Abziehgummi an eine Aussparung seines Eimers und plappert drauf los. Mit seiner unsympathisch schnarrenden Stimme berichtet er mir das Neueste aus seinem Leben, aus Gesellschaft und Politik. Themenwechsel leitet er ein, indem er zuerst laut den Rotz hochzieht und dann eine anzügliche Bemerkung macht.
In regelmäßigen Abständen frage ich meinen Vermieter, ob er nicht etwas weniger nervenaufreibendes Reinigungspersonal beschäftigen könne, ich wäre auch bereit, mich an den Kosten zu beteiligen. Traurige Wölkchen umschweben dann die Augen meines Vermieters und zur Antwort seufzt er hinter vorgehaltener Hand, in der Hoffnung, der Fensterputzer möge es nicht hören.