Die Grenzen der Marktwirtschaft

„Das ist doch an gegelten Haaren herbeigezogen!“, ruft Ruth empört und verspeist einen Pfirsich, den sie unlängst gestohlen hat. „Jeder halbwegs Denkende weiß doch, dass Mundraub im Grunde gar nicht möglich ist. Besitz ist ein Unding, ein Verbrechen, der Besitz von Nahrungsmitteln aufgrund ihrer beschränkten Haltbarkeit geradezu unmöglich.“

Der Spekulant beschließt, auf steigende Lebensmittelpreise zu wetten und gewinnt jedes Mal. „Trinkwasser ist kein Menschenrecht“, sagt er. „Wie sollte es sein? Wie könnte es sein? Auf unserer schönen Erde gibt es nur zwei Arten von Menschen: die Brunnenbesitzer und die Nicht-Brunnenbesitzer. Und da ich sehr oft durstig bin, gehöre ich lieber zur Gruppe der Brunnenbesitzer. Aber diese Entscheidung trifft natürlich jeder für sich. Wo kämen wir sonst hin?“

Der Spekulant hält inne, wie um einen fernen Ruf zu vernehmen. „Habt ihr das auch gehört? Ich meine zu ahnen, was Menschen meinen, wenn sie ahnen zu ahnen.“

„Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!“ Zwei Fast-Noch-Kinder spielen Ordnungsmacht und Bevölkerung. Ruth trägt innerlich schon Uniform; der Junge ist ebenso unwillig wie neugierig.

„Was ist denn passiert? Wie konnte es geschehen?“

Ruth antwortet: „Gehen Sie weiter! Hier gibt es nichts zu sehen.“

Hinter ihnen taucht ein Schluckaufhändler auf. „Braucht irgendwer noch einen Schluckauf? Ich hätte ganz frische im Angebot. Oder leicht gebrauchte.“

Die Kinder wehren die Offerte ab; Ruth droht dem Händler mit dem Schlagstock, der Junge wirft ihm Knallfrösche vor die Füße.

Im Hintergrund hört man Passanten tuscheln, Vorfahren, Nebenlinien, Onkel und Tanten, die Stimmen der Ahnen, die warnen, die flüstern mit Schaum vor den Lippen und Blut aus den Nüstern.

„Ich zähle jetzt bis drei, dann zahle ich eure Zeche und löffle tellerweise eingebrockte Suppe. Und warum? – Na, ich kann es.“ Der Spekulant spielt mit Münzen in eines fremden Mannes Hosentasche. „Asche auf mein Haupt und Schurz um meine Lende.“

Ende