Die Kunst des Zurücknehmens

Wenn man bei uns im Hof etwas Unpassendes sagte, wurde man vom dicken Schorschi in den Schwitzkasten genommen und bekam einen Hagel von Kopfnüssen verpasst.
„Nimm das zurück, nimm das sofort zurück!“, knurrte er und ließ einem Schweißtropfen ins Genick fallen.
Irgendwann japste man „Ich nehme es zurück!“, bekam noch einen letzten Schlag auf den Hinterkopf und die Sache war erledigt. Bald wählten wir unsere Äußerungen mit Bedacht, was nur mäßige Sicherheit mit sich brachte, denn Schorschis Maßstäbe an das Sagbare waren wechselhaft. Oft habe ich mich gefragt, wo all die zurückgenommen Sätze wohl hingingen. Vielleicht schrieb sie eine geheime Macht in ein Heft, wo sie beschämt einer nach dem anderen für alle Zeit stehen mussten.
Die einzige Möglichkeit, ihm Einhalt zu gebieten, war das Petzen bei seinen Eltern. Dann erschien sein Vater im Hof und schlug ihn mit einem braunen Grütel, den er mit weit ausholenden Bewegungen schwang, wie die Bauern auf Kuba die Macheten bei der Zuckerrohrernte schwingen. Dieses Schauspiel erschütterte uns mehr, als es Schorschis Kopfnüsse vermochten, deshalb ließen wir ihn meist gewähren und nahmen seine Ausbrüche hin, als seien sie eine Laune der Natur. Nur ein Mädchen aus dem vierten Stock schien Gefallen daran zu finden, was ihr eine unheimlich-perverse Aura verlieh und zudem dazu führte, dass wir anderen nicht vergaßen, was dem Schorschi blühen würde, käme sein Verhalten dem Vater zu Ohren.
In den großen Ferien pflegte Schorschi mit seiner Familie nach Porec zu fahren und in unserem Hof zogen lose Reden ein, alle plapperten gedankenverloren vor sich hin und genossen die kurze Freiheit der Rede, im steten Bewusstsein, dass sie ebenso vorübergehen würde wie der Sommer.
Noch heute schmerzen mich zurückgerufene Nachrichten, wie einst die Kopfnüsse vom dicken Schorschi und zugleich wünsche ich ihn manchmal herbei, wenn mir geistloses Geschwätz in den Ohren tönt.