Ein dünner Mann

Jonas Schmitz umklammerte nervös seinen Bleistift, als er das Büro betrat. Gleich neben dem Eingang stand ein nackter Mann mit Buckel. Er lehnte sich zu Jonas herüber wie ein Chipeinsammler auf dem Jahrmarkt. Jonas fasste sich ein Herz und sprach den Buckligen an.

„Bin ich hier richtig, um den dünnen Mann zu sehen?“

Bevor er eine Antwort erhielt, drängte sich eine dunkle Gestalt zwischen die beiden.

„Es gehört ihm! Ihm gehört es!“, schrie der Finsterling und wies mit einem langen Finger auf Schmitz.

Im Nu bildete sich eine ungehaltene Menschentraube um Jonas Schmitz und zahlreiche Augenpaare betrachteten ihn voller Misstrauen.

„Was soll mir gehören?“, fragte er. Es klang entgegen seiner Absicht schuldbeladen.

„Was gehört überhaupt?“, johlte ein Spötter aus der hinteren Reihe. Der Rest der Traube feixte.

Herrje, dachte Schmitz, irgendetwas geht hier vor. Er reichte dem Buckligen seine  Eintrittskarte und sah sich nach dem Gelehrten um. Der saß an seinem Pult und winkte Jonas Schmitz zu sich.

„Na, wie fühlt man sich so als Rarität?“, grüßte ihn der Weise und wedelte mit einer benagten Hammelkeule in Schmitzens Richtung.

„Unmöglich!“, antwortete Jonas kleinlaut und nahm den Knochen entgegen.

„Gehen Sie doch nach hinten zu den Holzfällern, mein Guter! Die helfen Ihnen mit Tatsachen aus, wenn Ihre Phantasie mit Ihnen durchgeht. Aber halten Sie Ihren Spendenscheck für unser Hilfsprojekt bereit, sonst wird das nichts.“ Der Gelehrte zwinkerte. „Keine Sorge, Sie können alles von der Steuer absetzen. So macht man das doch bei den feinen Leuten, mit denen Sie gewöhnlich Umgang pflegen, nicht wahr, Herr Schmitz? Jetzt gucken Sie nicht so. Was haben Sie denn erwartet?Gehen Sie schon!“

Ungehalten schob er Jonas Schmitz von seinem Pult fort.

Auf halber Strecke versperrten ihm ein Schwertschlucker mit mächtigem Turban und ein winziger Zyklop den Weg. Der Schwertschlucker warf sich  vor Jonas Schmitz in den Staub und bekreuzigte sich.

„Tausend Dank für die großzügige Leihgabe“, säuselte er und reichte ihm ein Stück getrocknete Rindergurgel. „Hier haben Sie Ihren Hals zurück! Vielen Dank abermals!“

Jonas Schmitz sann noch über eine angemessene Antwort nach, da stürzte der Zwerg auf ihn los. Das Auge auf seiner Stirn glühte gefährlich.

„Jetzt! Jetzt!“, kreischte er.

Schmitz wich zurück. „Was wollen Sie von mir?“

„Du bist eine Kuh. Gib mir Milch oder gehe zurück in deinen Stall!“

Wie ein begossenes Kamel schlurfte Jonas Schmitz zurück zur Tür. Seine Augen hätte er am liebsten in die Hosentasche gesteckt. So etwas dürfte gar nicht erlaubt sein. Beschämt setzte er seine Ohrenschützer auf und schlich hinaus in die Nacht. Was sollte er nur seiner Frau sagen, wenn er nach Hause käme?