Behördengang

„Herein!“ Wilhelm Wackerstein sitzt am Schreibtisch und füttert einen Gecko mit Krumen.

Wie soll ich sein Erstaunen beschreiben, als er sieht, wer zu seiner Tür hereinkommt? „Mensch, das ist ja eine Überraschung! Mit dir hätte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Wie lang haben wir zwei uns nicht mehr gesehen?“

Seine Freude ist echt – Wackerstein ist niemand, der sich gut verstellen kann und konnte. Das Tier auf dem Schreibtisch zermalmt Brotstücke und nickt. „Was kann ich denn für dich tun? Du besuchst mich doch nicht aus Höflichkeit.“

Da hat der scharfsinnige Mann natürlich recht; seit einem Zwischenfall vor einigen Dutzend Jahren habe ich ihn gemieden. Wenn man ihn da so sitzen sieht, würde man nicht glauben, was für ein Schwerenöter, was für ein Schürzenjäger dieser quallige Klumpen Mensch sein konnte, wenn er Alkohol, und sei es in verschwindend geringen Mengen, getrunken hatte.

„Ich muss meine Lizenz verlängern lassen“, sage ich mit vor wütender Erinnerung brüchiger Stimme. „Es ist mal wieder soweit.“

Wackerstein richtet sich auf und bekommt einen förmlichen Zug um den Mund. „Hast du die nötigen Papiere?“

Ich nicke im Gleichtakt mit dem Gecko.

„Ohne die Papiere“, führt er weiter aus, „könnte nicht einmal ich dir helfen. Vorschriften sind nun mal Vorschriften.“

Ich frage mich, welche gottverdammte Vorschrift ihm damals das Recht gegeben hatte, meiner Freundin besoffen den Rücken zu streicheln und an ihrem Büstenhalter herumzufummeln, aber ich bin klug genug, meinen Mund zu halten und nicht nachzufragen. Stattdessen schiebe ich ihm die Formulare und Dokumente zu und bete, dass dieses unvermutete Wiedersehen ein möglichst rasches Ende finden wird.

Wackerstein überfliegt mit wichtiger Miene die Papiere und schmatzt; sein Tier tut es ihm gleich. Er greift nach einer Brötchentüte und bricht dem Gecko frische Krumen ab. „So weit scheint alles in Ordnung zu sein“, sagt er abschließend. „Jetzt den Stempel drauf und dann kannst du wieder deinen merkwürdigen Geschäften nachgehen. Wie geht es eigentlich der Wie-hieß-sie-noch?“

Ehrlich gesagt, hatte ich seit damals keinen Kontakt mehr zu Wie-hieß-sie-noch. Nach dem verhängnisvollen Abend hatte ich schnell das Interesse an ihr verloren; sie schien mir durch seine Annäherungsversuche beschmutzt und gar nicht mehr begehrenswert. „Ach, der geht es super“, lüge ich. „Wir haben geheiratet.“

Wackersteins Miene verfinstert sich. „Verheiratet? Das ist natürlich was anderes. Dann stimmen die Angaben auf Formblatt III nicht. Da hast du versehentlich oder in voller Absicht falsche Angaben gemacht.“

Er nimmt seinen Stempel fest in die Hand und drückt ihn mir gegen die Stirn. „Versager!“, schreit er. „Versager! Lügner! Versager! Du hast sie überhaupt nicht geheiratet – verlassen hat sie dich, weil du dich von ihrer blühenden Sexualität bedroht gefühlt hast. Weißt du, zu wem sie gekrochen kam, um getröstet zu werden? Zu mir, einem richtigen Mann. Einem, der nicht bei der erstbesten Gelegenheit den Schwanz einzieht. Ein Mann, der auch mal Fünfe gerade sein lässt, der das Leben zu genießen weiß, du Spießer. Und jetzt verschwinde und lass dich nie wieder blicken! Solange ich in diesem Amt noch etwas zu sagen habe, wird dir keine Lizenz verlängert werden. Da kannst du Gift drauf nehmen.“

Der Gecko streckt die Zunge raus.