Nettigkeiten und schöne Reden verleiten mich leicht. Früher dachte ich, das sei ein Zeichen von Einfalt und wünschte mir eine große Portion dieses abgebrüht-sachdienlichen Misstrauens, das sich allseits großer Beliebtheit erfreut, weil man damit Abteilungsleiter werden kann oder sogar Filmregiesseurin. Aber, je! Wann immer ich eine bekam, lag sie mir schwer im Magen, wie eine Schweinshaxe, und ich konnte mich nicht mehr rühren.
Also tat ich, wie es mich meine Großmutter gelehrt hatte und fragte Gott, was da zu tun sei. Doch der wusste keinen Rat, denn solcher Kram ist ihm fremd. Im Zweifelsfall, meinte er, solle ich alles lassen, wie es ist. So mache er das bei Schwierigkeiten. Das schien mir allzu simpel und obendrein war es keine Empfehlung, die meine Großmutter als gottgefällig akzeptiert hätte. „Das ist doch wieder eine von deinen Geschichten, die du dir aus Faulheit ausgedacht hast!“, hätte sie gerufen und mit dem stets über ihrer Schulter hängenden Geschirrtuch nach mir geschlagen.
Meine Großmutter ist lange schon gestorben. Weder maßregelt sie mich, noch kann sie mich mit ihrem Tuch erwischen. Aber so ist der Mensch: Eine Sache kann so unangenehm nicht sein, dass man ihr Verschwinden begrüßen und sich anderen Dingen widmen würde – nein – zu allen möglichen Gelegenheiten bemerkt man die Abwesenheit des Schlages mit dem nassen Fetzen, fast als sehnte man ihn herbei, wie den Herzensfreund, der niemals aus den Ferien in Shanghai zurückgekehrt ist.
All meiner Bedenken zum Trotz folgte ich Gottes Fingerzeig. Meist ist bin ich damit zufrieden. Ohne einen Handstrich werden schlampige Verhältnisse zur natürlichen Ordnung der Dinge. An manchen Tagen ist es hingegen kaum auszuhalten. Da möchte ich betriebsam und einflussnehmend sein und schreien: „Halt! Nein! Bleib hier! Sieh her, was alles geschieht durch meine Hände!“ Vielmehr als Großmutter bringe ich freilich nicht zustande.