In den Tagen der Angepasstheit, wo das Essen nicht mehr blutet, die Habenichtse hingegen schon, drehen die Autoren der Edition Groschengrab den Mist des Lebens zu Perlen. Worte suchen ihren Weg ins Freie. Die Edition Groschengrab hat es sich zur Aufgabe gemacht sie einzufangen. Die Buchdeckel müssen einladend sein, denn die Texte sind widerspenstig und eigenwillig: Sie gehen nicht mit Jedem. Das Anliegen ist, ihnen einen bequemen Platz einzurichten, wo sie sich gerne lesen lassen.

AUS DEM GROSCHENGRAB

Literarisches & Aktuelles

Südwind

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In meiner Familie war der Wind eine Angelegenheit von großer Bedeutung. Meist kam er aus dem Ausland und war allein deshalb bereits suspekt. Der Ostwind zum Beispiel. Direkt aus Russland kam der und roch nach nassen Lederstiefeln, Blut und Stalingrad. Mein Großvater hätte ihn am liebsten verboten, doch seine Macht reichte dazu nicht aus. Als ich zum ersten Mal einen leibhaftigen Russen traf, staunte ich nicht schlecht, denn er roch ganz normal. Der Wind aus dem Westen brachte in der Regel ein Unwetter mit. Zornig warf er Regentropfen gegen die Fensterscheiben und rüttelte fauchend an den Bäumen. Der Nordwind stach…

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Publikumsbeschimpfungen

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Wenn man, wie Eva Pelzfuß, stets hin- und hergerissen ist zwischen den Dingen, kommt man im Leben nicht zu sonderlich viel. „Man hat immer eine Wahl“, hatte es in ihrer Familie geheißen. So springt sie morgens aus dem Bett und bereits auf dem Weg zur Toilette lauert ihr wählbares Zeug auf. Zähe Schatten in unterschiedlichem Grau umschleichen sie, flüstern, raunen, zischen: Trink erst mal einen Kaffee! Nein, mach Gymnastik! Leg dich wieder hin! Du könntest eine Runde spazieren gehen. Als erstes eine kalte Dusche, damit du wach wirst. Oder lieber eine heiße Dusche. Kauf dir ein Pony. Oder besser einen…

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Rendezvous mit dem Maulaffen

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Als ich den Laden des Händlers betrat, blendete mich die muffige Dunkelheit des rundum mit den absonderlichsten Waren vollgestopften Innenraums, sodass sich meine Augen erst langsam an die Lichtverhältnisse gewöhnten. Der Händler war ein Mann von rundlicher Gestalt, ungefähr in meinem Alter. Er ließ sich durch meine Anwesenheit nicht von seiner Arbeit ablenken; er sortierte mehrere kleine Gegenstände auf einem Kissen aus dunkelrotem, flauschigem Samt. Ich räusperte mich und zeigte, auch um das Verkaufsgespräch in Gang zu bringen, auf das Teil, das der Händler als letztes in der Hand gehalten hatte. „Ich hätte gern das Ding da“, sagte ich und…

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Ein Nachmittag im Waschsalon von Kafka David Friedrich

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Eigentlich hat die Geschichte mit dem Saharastaub angefangen. Oder mit dem Duft der Blüten des Zierapfelbaums im Park. Das weiß ich jetzt nicht mehr so genau. In letzter Zeit merke ich mir die Dinge nur noch ganz kurz, damit ich offen für Neues bleibe. Der Saharastaub kommt gar nicht aus der Sahara, das habe ich irgendwo gehört. Das ist nur ganz gewöhnlicher Blütenstaub von irgendeinem x-beliebigen Baum. Linde oder Tanne, das weiß ich jetzt nicht mehr so genau. Jedenfalls nicht Zierapfel. Aber Sie wollen ja die Geschichte hören. Kein Schwein interessiert sich für Zierapfelbäume, obwohl die im Frühling einen betörenden…

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