Blutsbande

Wenn man sonst keine Sorgen hat, lockt einen das Abenteuer.

Um von den Mitmenschen nicht als verdeckter Pauschaltourist belächelt zu werden, muss das Unterfangen von kolossaler Waghalsigkeit sein. Barfuß mit nur einer Malakofftorte als Proviant ins Hochgebirge zum Beispiel. Oder man umsegelt die Welt in 80 Tagen auf einem Käsebrot. Gerät man in Kalamitäten, ist einem die Aufmerksamkeit der Medien und Langweiler rund um den Globus sicher. Es gibt Leute, die mögen das. Sabine Pelzfuß gehört nicht dazu.

Die Betreuung ihrer alten Mutter ist für sie abenteuerlich genug und auf neunmalkluge Ratschläge und neugierige Blicke kann sie getrost verzichten. Nunja. Nicht immer, nicht ganz.
Es gibt Momente, da würde auch Sabine Pelzfuß gerne wie ein Weltenbummler von Gefühlen berichten, die sie bei gewissen Taten und Anblicken überwältigen.

Zum Beispiel über diese Mischung aus Mitgefühl, Ekel, Verachtung und Liebe, die man ausschließlich der Mutter gegenüber empfinden kann. Über die aufsteigende Panik, den Drang zur Flucht, weil man fürchtet, selbst so zu werden. Über den harten Zug um den Mund, der beweist, dass man bereits so ist.

Mehr hat der Regenwald auch nicht zu bieten.