Der Atzmann

Als Dorothea Pelzfuß lange genug alleine geblieben war, um eine Routine dafür entwickelt zu haben, zerstörte sie diese und fuhr in die Stadt. Auf dem Weg dorthin traf sie den Atzmann. Er trug einen Wollmantel und zog ein Rollköfferchen hinter sich her. Das Klackern der Räder übertönte die Alltagsgeräusche. An einer Straßenecke sprach er sie an. Dorothea redete nicht gern mit Fremden, doch der Atzmann kam ihr bekannt vor.

„Was haben Sie denn in Ihrem Koffer?“, fragte sie ihn, nachdem er sich vorgestellt hatte.

„Den Neid, die Missgunst und einen Wunsch. Möchtest du etwas davon? Es soll dich nicht viel kosten.“

„Neid und Missgunst? Das ist doch das Gleiche.“

„Nein. Das sind zwei Paar Schuhe.“

„Aber ich habe allein für die kurze Reise in die Stadt drei Paar dabei, und für weitere zwei habe ich weder Platz noch Bedarf.“

Dann solle sie eben den Wunsch nehmen, meinte der Atzmann, für eine Sache müsse sie sich entscheiden. Gar nichts ginge nicht, er sei schließlich nicht den weiten Weg umsonst hergekommen.

Bloß ein Wunsch, dachte Dorothea Pelzfuß, das ist ja komisch, und irgendwie zeugt es auch von Geiz. Zumal sie auch noch etwas dafür bezahlen sollte. Zwar nicht viel, wenn man ihm glauben wollte, aber immerhin. Sie überlegte eine Weile, doch es fiel ihr nichts ein. Hätte er ihr 300 Wünsche angeboten, wäre es einfacher gewesen, aber einer! Sobald ihr ein Wunsch in den Sinn kam, gesellte sich ein zweiter, dritter, vierter dazu.

„Ich glaube, ich brauche gar keinen Wunsch. Davon habe ich mehr als genug“, sagte sie nach einer Weile. „Ich nehme den Neid. Was soll er kosten?“

Der Atzmann wandte sich ab und kramte geheimnisvoll in seinem Köfferchen herum. Er reichte Dorothea eine Pappschachtel, in deren Oberseite einige Löcher eingestanzt waren.

„Sieben Euro. Zahlst du bar oder mit Karte? Er ist noch klein und braucht nicht viel. Ein bisschen Milch und eine handvoll Sonnenblumenkerne jeden Tag. Nachts musst du ihn warmhalten. Lege ihn unter deine Decke.“

Dorothea übergab den geforderten Betrag und klemmte sich die Schachtel unter den Arm. Der Atzmann hob die Hand zum Gruß, schlug den Mantelkragen hoch und machte sich davon.

Auf dem Heimweg fragte sich Dorothea Pelzfuß, ob andere wohl ein besseres Geschäft gemacht hatten.