Der neugierige Kunde

Eines Tages ging ich zu einer Wahrsagerin und als ich ihre Wohnung betrat, fand ich sie in wollüstiger Pose auf einer Art Schreibtisch vor.
„Kommen Sie ruhig näher, junger Mann!“, gurrte sie mit süß-scharfem Akzent.
Ich fühlte mich ob ihrer dargebotenen Reize überfordert und war schon im Begriff mich herumzudrehen und zu gehen, als mein Blick auf einen Papagei fiel, der mich aus einem mannshohen Käfig verächtlich ansah.
„Tu doch nicht so, als ob dir nicht gefiele, was du siehst.“ Der Vogel sprach mit wohltönender Stimme, gar nicht brüchig und krächzend, wie ich es erwartet hatte. „Schau ruhig noch einmal hin!“
Es war wohl der angenehme Tonfall, der mich veranlasste, einen zweiten Blick zu wagen. Groß war mein Erstaunen, als ich bemerkte, dass die Frau sittsam an ihrem Tisch saß, exotisch, aber vollständig bekleidet und lächelnd. Sie bedeutete mir mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen.
„Was kann ich für Sie tun, wie kann ich Ihnen helfen?“
Ich wies mit dem Finger über die Schulter auf den Käfig. „Was ist das für ein seltsamer Vogel? Ein Papagei?“
„Papagei?“ Die Wahrsagerin klang ehrlich überrascht.
Wo vorher der Vogelkäfig gestanden hatte, befand sich jetzt die mächtige Gestalt eines ausgestopften Grizzlybären. Vor lauter Verblüffung vergaß ich alle Fragen, die ich der weisen Frau hatte stellen wollen, und verließ sie, hastig und noch zwei Straßen lang weiterzitternd. Ganz erholt habe ich mich von diesem Erlebnis bis heute nicht.