Die Perle Andalusiens

Marilen Pelzfuß saß auf ihrem engen Balkon, betrachtete die grünliche Fassade des Nachbarhauses, nippte an ihrem Tee und erinnerte sich an eine lange zurückliegende Reise. Ein hagerer Mittvierziger mit rot gefärbtem Haar und säuerlichem Geruch war ihre Begleitung gewesen. Er hatte alles versucht, um mit ihr in Streit zu geraten, doch Marilen hatte bereits am Flughafen beschlossen, zu allem Ja und Amen zu sagen, egal wie langweilig, anstrengend oder fern ihrer eigenen Vorstellung es auch sein möge. Streiten würde sie jedenfalls nicht.
„Wir müssen“, meinte ihr Begleiter nach dem Abendessen in einem selbst bei Nacht noch stickigen und heißen Innenhof, „unbedingt die Perle Andalusiens besuchen“. Er hob seine knollige Nase aus dem Reiseführer und sah Marilen Pelzfuß durch die fleckigen Gläser seiner Brille an.
Auch ihr Chef hatte das zu ihr gesagt, als er ihr widerstrebend den Urlaub genehmigt hatte. „Ihr müsst unbedingt die Perle Andalusiens besuchen, sonst ist die ganze Reise für die Katz‘.“ Marilen Pelzfuß hatte genickt und war mit dem Lastenaufzug in den Keller gefahren, um Bierfässer zu stapeln.
Die Hitze hatte den Staub der Stadt festgebacken und alles war in stumpfes Licht getaucht. Das Hotelzimmer war winzig. Um zum Bett zu gelangen, mussten sie über ihr Gepäck steigen. Wenn Marilen Pelzfuß ihren Arm ausstreckte, konnte sie durch das Fenster die Wand des gegenüberliegenden Hauses berühren. Der rauhe, warme Putz fühlte sich an, wie die Bartstoppeln des schneidigen Astronomen, mit dem sie nach Frankreich hätte fahren können.
Sie standen vor dem Restaurant, dass ihr Begleiter ausgesucht hatte und betrachteten das Schild am Eingang.
„Kein Zutritt in Badebekleidung!“, stand da.
Marilens Augen wanderten von dem Schild auf die Füße ihres Begleiters, die in weißen Badesandalen steckten. Ein fetter Wirt rief ihnen aus einer Kaschemme gegenüber zu, sie seien bei ihm willkommen. Unter einer brummenden Leuchtstoffröhre aßen sie Frittiertes.
Am nächsten Tag kaufte sich Marilen Pelzfuß in einem Kaufhaus einen Kamm, der im Dunklen leuchtete.