Ein Stein aus Fett

Nachts fällt das Mondlicht durch Gustavs Fenster und macht sich am Fußende seines Betts breit. Es liegt quadratisch da und glänzt, wie eine dieser Käsescheiben, die in Folie verpackt sind, und die heute kein Mensch mehr isst. So ein Bissen Käse würde ihm jetzt gute Dienste leisten, denn er verspürt ein wenig Hunger. Er versucht zaghaft ein Stückchen davon abzuzupfen. Der Lichtfleck rollt sich geziert an einer Ecke auf, um seinen Fingern zu entkommen. Der Mond spricht mit der Stimme seines ehemaligen Vorgesetzten.

„Spare, lerne, leiste was, dann hast du, kannst du, bist du was. Von Steinen wird man nicht satt, auch wenn sie aus Fett gemacht sind.“

Gustav gibt vor, nichts gehört zu haben und zieht sich die Decke bis zur Nasenspitze. Vielleicht sollte er ein Geschäft für rostige Dinge eröffnen. Oder in einen Palmengarten auswandern. In der Ferne hört man schon das Morgengrauen. Wenn er sich jetzt gleich aufmacht, kann er ihm noch entkommen.

Draußen watet er durch Pulverschnee, den die Hausverwaltung extra aus dem Kaukasus heranschaffen ließ, weil die alten Weiber die Oberschenkelhälse nicht voll kriegen. Die Flocken stoßen schrille Schreie aus, sobald man auf sie tritt. In Gustavs Schädel schwappt es hin und her, als er seine Schritte beschleunigt. Ihm knurrt der Magen. Er würde sogar einen dieser aus Fett gemachten Steine essen, solchen Hunger hat er. An der Straßenecke legt er sich auf die Lauer. Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Lastwagen kommt, der die Bäckerei beliefert. Er würde dem dicken Fahrer ein ordentliches Stück aus der Wade beißen.

Nebel zieht auf, und außer den Straßenlaternen, die wie gleißende Wattebäusche über dem Asphalt schweben, kann man nichts mehr erkennen. Aber von Licht wird man nicht satt.