Ein Zweizack ist die Lösung

Dieter stand, wie immer freitags in seiner letzten Mittagspause der Woche, am Bistrotisch seines bevorzugten Schnellimbisses und stocherte mit der Holzgabel in den übriggebliebenen Pommes Frites in dem Pappschälchen vor ihm. Kollege Karel aus der Abteilung Vertrieb, gesellte sich zu ihm, in der linken Hand balancierte er sein eigenes Schälchen, mit der rechten hielt er einen etwa beinlangen, vorne spitz zulaufenden Stahlprügel umklammert.

„Was ist das denn für ein komischer Speer?“, fragte Dieter und nahm einen tiefen Schluck aus der Limonadenflasche.
„Das ist kein Speer. Das ist mein Zweizack.“

„Hm, davon habe ich ja noch nie gehört. Und außerdem hat das Teil doch nur eine Zacke. Ist also quasi ein Einzack. Betrug am Kunden, wenn du mich fragst.“

„Ich wollte ihn dir auch nicht verkaufen. Den könntest du dir nicht erlauben. Der Zweizack hat nämlich magische Eigenschaften.“

Dieter kannte Karels Hang, Geschichten zu erfinden oder Unwichtiges aufzublasen bis ihm die sensationslüsternen Kollegen vor Staunen und Bewunderung die Schultern klopften. Die Zackenanzahl zu übertreiben passte in dieses Schema. Dieter hatte für derlei keinen Sinn; in der Regel mied er deshalb Karel.

Trotzdem hörte er sich sagen: „Was denn für magische Eigenschaften?“

Karel atmete tief ein und senkte verschwörerisch die Stimme: „Die Legende besagt, dass dieser Zweizack hier einst von einem gefallenen Engel geschaffen wurde, der seine göttliche Natur verleugnete und in die Tiefen der Unterwelt hinabstieg. Der Zweizack bringt Dunkelheit und Chaos in das Leben derjenigen, die von ihm berührt werden.“

„Soso. Das ist ja hochinteressant, aber ich glaube, ich muss mal wieder hoch.“

Demonstrativ auf seine Armbanduhr schauend, nahm Dieter die leere Flasche und das Pappschälchen und wollte beides zum Tresen tragen, als er spürte, wie Karel seine leichte Windjacke hinten mit dem Zweizack streifte.

Blitzschnell drehte er sich um und baute sich vor dem schmächtigen Kollegen auf. „Hast du gerade etwa … ?“

Doch bevor er die Frage stellen konnte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz und er griff sich an die Brust. Glücklicherweise musste Dieter nur aufstoßen, aber einen Augenblick lang, ein winziges Momentchen nur, hatte er das Ende gespürt, Dunkelheit und Chaos.

Karel lächelte. Er hatte ein Stück Wurst auf der Gabel und ließ es sich schmecken. Der Zweizack lag neben ihm auf dem Tischchen und pulsierte.