Fashion is my Passion

Er trug heute wieder einmal seine fleischfarbenen Leggings. Er könne sich in ihnen besser konzentrieren; er sähe die Dinge klarer, wenn er sie trüge.
Nicht einer von uns Zwölfen traute sich zu lachen, keiner wollte vortreten und sagen, was wir alle dachten: er sieht in den Dingern unmöglich aus. Die Menschen in den Dörfern, durch die wir zogen, verspotteten ihn sowieso und rotteten sich regelmäßig zusammen, um uns unter Schmähungen und Steinwürfen und Tritten aus ihren Ortschaften zu vertreiben.
Unsere Standhaftigkeit und Loyalität wurden ein ums andere Mal auf die Probe gestellt, aber selbst die treuesten unter uns wurden wankelmütig, wenn er seine Leggings trug und wir verteidigen mussten, was eigentlich nicht zu verteidigen war.
Und so nahm das Verhängnis heute seinen Lauf: Keiner verhinderte seine Festnahme oder stellte sich den Ordnungsmächtigen entgegen, als sie abends kamen, um ihn festzunehmen; ich zog halbherzig das Schwert und hieb einem der Häscher das linke Ohr ab, aber wirklich Einsatz zeigte auch ich nicht.
Jetzt lungern ein paar von uns vor dem Haus des Statthalters herum und warten auf den ersten Hahnenschrei. Ich liebe ihn, das ist bekannt, aber auch ich kann nicht anders als zu denken, dass er noch bei uns wäre, wenn er bloß auf die verdammten Leggings verzichtet hätte. Aber es war, wie es immer war: Sein Wille geschah.