Fotogen

An den Wänden Kalender vergangener Jahre, ein einzelnes Kinderbild daneben. Ich sei, so wurde es mir durch stete Wiederholung ins Bewusstsein geträufelt, ausgesprochen fotogen. Das muss etwas ganz besonders Gutes sein, so deutete ich die Blicke meiner Eltern auf die Bilder in den Papierumschlägen, die noch einen Hauch von Entwickler trugen.
Lichterregend, so erklärte meine Schwester, sei das deutsche Wort für meine Eigenschaft, und das leuchtete mir ein, funkelte ich doch mit den Frühlingstagen um die Wette. Kaum dass ich auf Mitmenschen traf, erstrahlte ich, glühte förmlich, spendete Helligkeit und Wärme, als gäbe es kein Morgen.
Heute verbringe ich die Tage zuhause meist im Dunkel; dichte, schwere Stoffe hängen vor den Fenstern wie Verurteilte, wie Hingerichtete. Sie schützen mich vor der Welt und die Welt vor mir. Wenn ich dieser Tage Licht errege, dann meist nur, um mir mit dem Aufflammen eine Zigarette anzuzünden. Eine Angewohnheit, die mir die Stunden vertreibt bis irgendwann keine mehr übrig ist.