Girlsday

Da jaulte und bellte ein kleines Mädchen wie der sprichwörtliche getretene Hund hinter mir; dafür sollte es im Grunde von den Eltern bestraft werden, fanden die Eltern: Riemenschläge gegen das rosa Schnäuzchen. Flaschensammler sammelten Flaschen, Zitronenfalter flogen umher.

„Ich bin eine ZitronenfalterIn. Mit großem I und großem Stolz.“

Jetzt war es an der Zeit, ein Wort der Entschuldigung zu finden. „Ich … äh … wusste gar nicht, dass Frauen, und noch dazu so attraktive junge Frauen“, fügte ich altherrenhaft augenzwinkernd hinzu, „das Handwerk des Zitronenfaltens in der heutigen Zeit noch als anstrebenswerten Tätigkeitsbereich wahrnehmen.“

„Patriarchaler Kackscheiß!“, rief die FalterIn und schaute grimmig demonstrativ zur Seite. „Ihre Herablassung, Ihr Herablassen, will ich nicht einmal geschenkt.“

Ich reckte wie in größter Erregung die Arme in die Höhe und schüttelte die Fäuste. „Na, dann eben nicht!“, brüllte ich heiser. „Wer nicht will, der hat schon.“

Als ich mich zum Gehen wandte, folgte mir eine Plastiktüte. „Wo soll’s denn hingehen?“, fragte ich mit wiedergewonnener Leutseligkeit.

„Immer der Nase nach, immer der Nase nach“, antwortete sie.

Da die Tüte selbst keine Nase hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht anders, als mich ein Stückweit geschmeichelt zu fühlen – mein Riechorgan wurde von der Umwelt als richtungsweisend wahrgenommen. „Dann haben wir ja quasi den selben Weg.“

Wir mochten schon eine Viertelstunde wortlos hintereinander hergegangen sein, als die Tüte begann, ein wehmütiges Lied zu singen: „Wenn mich der Wind wie deine Hand liebkost / Wenn mich dein Kuss wie Sturm umtost / Dann halt’ vor Glück den Mund mir zu / Denn dir und mir bringt jeder Abend Trost und Ruh’.“

„Warum denn so traurig, kleine Tüte?“

„Ich wäre so gerne eine Libelle“, antwortete sie, „mit schlankem Leib und schillernden Flügeln.“

Ich wollte von meinen Erlebnissen mit der ZitronenfalterIn erzählen, doch ich sah, aus mir mittlerweile unerfindlichen Gründen, davon ab.