Im Evidenzbüro

Wenn ich mein Schicksal so abstrakt und unpersönlich hingeschrieben sehe, ist es mir immer irgendwie suspekt. Einmal im Jahr bekommt man eine Ladung vom Evidenzbüro. Dort muss man eine Nummer ziehen und die Parole aufsagen, damit man vorgelassen wird. Mein Sachbearbeiter und Zutrauer, Hashmat Hirsblech, ist emeritierter Salafist und trägt den Bart, wie es früher bei Sozialisten und Bierkutschern Mode war. Ich bin heimlich in ihn verliebt, aber er nimmt es mit dem Beamtenzölibat sehr genau. Zudem ist er auf Lebenszeit Ehrenpäderast der katholischen Liga, was durch eine prächtige Urkunde über seinem Schreibtisch belegt ist. Es bleibt mir also nichts weiter, als ihm in der Amtsstube vergebens Schmachtblicke zuzuwerfen und mir zuhause das von ihm unterzeichnete Fatumszeugnis zwischen die Schenkel zu pressen. Doch das geht niemanden etwas an. Auf dem Heimweg vom Evidenzbüro ging ich noch kurz beim Modalitätenhändler vorbei, um mir eine moralische Stützstrumpfhose abzuholen, die Herr Hirsblech mir verordnet hatte. In der Schlange vor der Ladentheke traf ich meine Nachbarin. Unter Tränen erzählte sie mir, die Satisfaktionsagentur habe ihre Kritikwürdigkeit auf F-doppel-Minus herabgestuft. Nun musste sie die dick gefütterten Fehdehandschuhe gegen ein ausgemergeltes Paar aus dünner Vorhaut eintauschen. Ich erwog für einen Moment, ihr meine anzubieten, da sie mir ohnehin zu weit geworden waren. Aus Bosheit entschied ich mich anders und gab ihr stattdessen einige Backpfeifen.
Ich lege Wert auf gute Nachbarschaft.