Kein Ende abzusehen

An meinem ersten Schultag begleiteten mich meine drei Brüder, denn meine Eltern kamen so früh am Morgen nicht aus den Federn. Als wir um die Ecke bogen und das Gebäude in Sicht kam, nickten sie sich wissend zu und ihr grimmiges Schweigen dröhnte mir in den Ohren. Meine Brüder heißen Palisander, Palisade und Palindrom. Ich verwechsle sie immerzu, weil ihre Gesichter hinter bunten Masken verborgen sind, und sie foppen mich obendrein, indem sie tauschen. Aber letztendlich ist das nicht der wahre Grund. Ich verwechsle fast alles: Frühstück und Abendbrot, Sommer und Winter, Hase und Pfeffer, Gott und die Welt, Theremin und Thermometer.

„Das wird sich schon auswachsen“, sagte mein Vater die ersten Jahre über. Oder meine Mutter.

Tatsächlich wuchs es sich aus, doch nicht so, wie meine Familie es erwartet hatte. Mein Schulweg wurde länger und länger, manchmal zählte ich drei oder vier Sonnenaufgänge, bis ich dort ankam.

Eines Tages kamen mir auf meinem Weg etwa tausend zerlumpte Gestalten entgegen. Ein trauriger Wind ließ die Haut auf ihren Knochen flattern, und ein Schmerz umgab sie, dass es mir die Sprache verschlug. Ein Element der Obrigkeit stand am Straßenrand und feixte. Ich holte mein Pausenbrot aus dem Ranzen und bot es einem der ausgemergelten Menschlein an, doch es ging an mir vorüber, als gäbe es mich gar nicht. Wenig später fand ich mich allein auf der Straße wieder, und ein klebriges Grauen haftete an mir, das sich niemals mehr abwaschen lassen sollte.