Konflikte

Der Krieg kommt immer näher. Neulich fuhr ich nachts im Bett auf, denn ich hörte das Pfeifen von Mittelstreckenraketen, aber dann war es doch nur Agamemmnon, der Nymphensittich meiner Nachbarin. Auch wenn es diesmal falscher Alarm war, besteht kein Zweifel: Früher oder später wird es vorbei sein mit dem Frieden. Deshalb bereite ich mich vor.
„Grrrrroßßartig! Zu den Waffen!“, kreischt Agamemmnon hinter dem dicken Filzvorhang, der unsere Wohnungen voneinander trennt. Ich wünschte, es gäbe eine Wand, aber die Hausverwaltung teilt mit, das lohne nicht, denn bald würden wir eh ausgebombt, das sei nur mehr eine Frage der Zeit.
Ein Segen, dass im Keller noch die automatische Speckschusspistole meines Großvaters liegt. Die hat er mir genau für solche Fälle vermacht. Er war sicher, es käme für jeden Menschen irgendwann der Tag, an dem man keine friedliche Lösung mehr fände und Gewalt entweder anwenden oder erdulden müsse.
„Grrrrroßßartig! Auf die Barrikaden! Wehrt euch Geeeeenossen!“, kreischt Agamemmnon und ich höre, wie er aufgeregt auf der Stange in seinem Käfig von links nach rechts trippelt.
Als es dämmert, robbe ich wie im Schützengraben meinen Wohnzimmerteppich entlang. Ich hebe den Filzvorhang ein wenig an und luge in die Wohnung meiner Nachbarin. Agamemmnon sitzt sanft schaukelnd auf seiner Stange. Genau in meiner Schusslinie. Ich puste ihm das komplette Magazin ins Gefieder. Großartig.